Erbsen auf halb 6
Drama, Deutschland 2004, 111 Minuten, ab 6
Originaltitel: Erbsen auf halb 6; Deutschlandstart: 04.03.2004 (Senator Film); Regie: Lars Büchel; Produktion: Hanno Huth, Til Schweiger, Ralf Zimmermann; Drehbuch: Lars Büchel, Ruth Toma; Musik: Max Berghaus, Stefan Hansen, Dirk Reichardt; Kamera: Judith Kaufmann; Schnitt: Peter R. Adam

mit Fritzi Haberlandt (Lilly Walter), Hilmir Snær Guðnason (Jakob Magnusson), Harald Schrott (Paul), Tina Engel (Regine), Jenny Gröllmann (Franziska), Alice Dwyer (Alex), Max Mauff (Ben), Annett Renneberg (Nina), Jens Münchow (Jan), Michael Hanemann (Pfarrer), Heinz Petters (Küster), Petra Hartung (Pflegerin), Jens Peter Brose (Mann im Anzug), Aksana Assmann (Helena), Imke Büchel (Puck)

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Lilly (Fritzi Haberlandt) und Jakob (Hilmir Snær Guðnason) am Bahnhof. Lilly Walter (Fritzi Haberlandt) und Jakob Magnusson (Hilmir Snær Guðnason) im Rapsfeld. Jakob mit den Ganoven Leisetreter (Mario Winkelmann) und Kette (Dustin Sattler-Semmelrogge). Lilly (Fritzi Haberlandt) und Jakob (Hilmir Snær Guðnason) auf dem LKW.

Entschuldigung, könnten Sie uns bitte sagen, wie das Essen liegt? - Bitte? - Wenn Sie sich vorstellen, der Teller ist eine Uhr, auf welchen Zahlen liegt dann das Essen? - Also: die Kartoffeln auf Drei. So Zehn vor Drei. Die Erbsen auf Sechs. So Zwanzig nach... Warten Sie, warten Sie. So: Zwanzig, Fünfundzwanzig nach Sechs, vor Sechs, nach Fünf. Entschuldigung. - Lilly? Ich glaub, sie kann die Uhr nicht lesen. - Bitte was? - Erbsen auf halb 6... - Zitat - Jakob und Lilly im Restaurant

Plot: Der erfolgreiche Regisseur Jakob Magnusson (Hilmir Snær Guðnason) inszeniert gerade Shakespeares Ein Sommernachtstraum am Hamburger Theater. Als er mit dem Auto in strömendem Regen unterwegs ist, reicht eine kleine Unachtsamkeit aus um sein gesamtes Leben zu verändern: Durch einen tragischen Unfall verliert er sein Augenlicht. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus versucht Jakob in sein altes Leben am Theater zurückzufinden. Allerdings ohne Erfolg. Zwar wird die Premiere seines Stückes ein Erfolg, aber seine Tage als Regisseur sind gezählt. Hilfe von seinen Mitmenschen lehnt er völlig ab. Selbst seine Lebensgefährtin weist er ab. Alleine und ohne Hoffnung versucht er Selbstmord zu begehen. Allerdings auch hier hat er keinen Erfolg. In der Psychiatrie wird ihm klar, dass er nur noch ein Ziel hat: Er will zu seiner todkranken Mutter nach Russland um sie auf ihrem letzten Weg zu begleiten.
Seine einzige Hoffnung aus der Psychiatrie herauszukommen ist Lilly Walter (Fritzi Haberlandt), die im Rehabilitationszentrum für Blinde arbeitet und ihm bei der Wiederaufnahme eines "normalen" Lebens helfen will. Er willigt in das Angebot ein, mit ihr zusammen zu arbeiteten. Aber schon auf dem Weg zum Reha-Zentrum ergreift Jakob die Flucht. Am Bahnhof rennt er in den nächst besten Zug und hofft so, Lilly zu entkommen. Die aber folgt ihm unablässig weiter.
Als Jakob nach einer Notbremsung einfach aus dem Zug springt und Lilly ihm weiter folgt, stehen die beiden plötzlich alleine mitten im platten Land und keiner von beiden weiß, wo sie überhaupt sind. Denn Lilly ist genauso blind wie Jakob! Erst eher durch Pflichtgefühl, später freiwillig folgt Lilly Jakob den langen Weg zum Weißen Meer zu Jakobs Mutter. Auf der Reise lernt nicht nur Jakob, dass sein Leben doch noch lebenswert ist, sondern auch die erfahrene Lilly stellt fest, dass sie "nur blind ist" und schon lange nicht mehr abhängig von ihrer Mutter oder ihrem Lebensgefährten ist.

Kritik: Erbsen auf halbe 6 ist auf jeden Fall eins nicht: gewöhnlich. Er ist in vielen Bereichen ein außergewöhnlicher und in einigen Bereichen ein ungewöhnlicher Film. In stellenweise schon fast zu direkten Bildern wird die Geschichte zweier blinder Menschen sehr ruhig und völlig ungeschminkt erzählt. Gerade das erste Drittel des Films lebt von seiner melancholischen, fabelhaft mit Musik unterlegten und künstlerisch ins Bild gesetzten Erzählweise. Dieser Teil des Films ist wohl als ein Drama mit Situationskomik zu beschreiben. Der aus dem "normalen" Leben gerissene Regisseur, der den Boden unter den Füßen verliert, und die immer gut gelaunte Blinde, die in ihrer Arbeit aufgeht und ihr Leben auch privat meistert, werden von den beiden sehr gut aufspielenden Hauptdarstellern bestens in Szene gesetzt.
Wie schon erwähnt trägt gerade am Anfang die musikalische Untermahlung sehr zum Stimmungsaufbau bei. Nach diesem Teil verirrt der Film sich aber leider in etwas, das man wohl schon fast mit Roadmovie beschreiben könnte. Die Reise der beiden durch die triste Landschaft Russlands ist für den Zuschauer ähnlich anstrengend wie für die Charaktere. Immer wieder durch eine scheinbar zusammenhanglose Nebengeschichte und der Verfolgung des Pärchens durch Lillys Mutter und Lebensgefährten abgelenkt, wird es für den Zuschauer schwer, die Hauptgeschichte nicht aus den Augen zu verlieren. Das Ende lässt sich wohl durch "modernes Märchen" beschreiben.
Nichts desto trotz ist Erbsen auf halb 6 ein interessanter, wenn auch durch die direkte Art der Bilder ein gewöhnungsbedürftiger Film. Einen Blinden zu spielen ist für einen Schauspieler eine echte Herausforderung, der sowohl Guðnason wie auch Haberlandt in allen Bereichen gewachsen sind. Durch ihre Ausstrahlung und Spielweise tragen sie ein großes Stück des Films. Auch die Art der Bilder in Perspektive und Farbe sind zuweilen grandios.
Für einen Menschen, der mehr als 90% seiner Umwelt mit den Augen wahrnimmt, ist es wohl kaum begreifbar zu machen, was es bedeutet, nichts mehr sehen zu können. Der Film bringt einem aber diese Situation etwas näher und vermittelt eine recht plastische Veranschaulichung des Themas.

Fazit: Absolut sehenswert, aber bestimmt nicht jedermanns Sache. 7 von 10 Interessensgemeinschaften für Sex

Lars Haller
09.03.2004

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Schnitt: 5.1
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Leser-Kommentare:
Olaf (16.03.04): Ich finde "Situationskomik" ist das falsche Wort, um den Humor in Erbsen auf halb 6 zu beschreiben. Und da wären wir schon bei meinem Haupkritikpunkt an diesem Film:
Er ist einfach unentschlossen. Für ein ernsthaftes Drama hat er zu viel peinlich/lustige Szenen. Für eine Groteske über das Thema Blindheit ist er nicht lustig genug. Situationskomik ist es nämlich gerade nicht, die den beiden Protagonisten passiert. Wenn der neu Erblindete wirklich über jedes Hinderniss stolpert und an jeden Vorsprung rempelt und trotzdem noch rennt wie ein Irrer, dann hat das mit der Komik einer realesn Situation nichts mehr zu tun. Das ist inszeniert, das soll grotesk wirken. Komisch ist es aber nach dem mindestens zehnten Wiederholer wirklich nicht mehr.
Im übrigen habe ich auch ein Problem mit der Storykonstruktion. Scheinbar reicht es heute nicht mehr aus für einen spannenden Film, wenn nur einer blind ist und deswegen Probleme hat. Nein, es muss noch einen zweiten Blinden geben mit Problemen, der erste Blinde muss noch eine totkranke Mutter haben...
Ich fand Erbsen auf halb 6 einfach überkonstruiert, stellenweise langweilig und mit peinlichem Humor vollgestopft. 4 von 10 Nicht-Stars, die auch nicht rausgeholt werden

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