Die Reise des jungen Che
Drama/Roadmovie, USA/Deutschland/Argentinien 2004, 126 Minuten, ab 6, Prädikat: besonders wertvoll
Originaltitel: Diarios de motocicleta; Deutschlandstart: 28.10.2004 (Constantin Film); Regie: Walter Salles; Produktion: Michael Nozik, Edgard Tenenbaum, Karen Tenkhoff; Drehbuch: Jose Rivera nach den Aufzeichnungen von Ché Guevara und Alberto Granado; Musik: Gustavo Santaolalla; Kamera: Eric Gautier; Schnitt: Daniel Rezende

mit Gael García Bernal (Ernesto Guevara de la Serna), Rodrigo De la Serna (Alberto Granado), Mía Maestro (Chichina Ferreyra), Mercedes Morán (Celia de la Serna), Jean Pierre Noher (Ernesto Guevara Lynch), Lucas Oro (Roberto Guevara), Marina Glezer (Celita Guevara), Sofia Bertolotto (Ana Maria Guevara), Ricardo Díaz Mourelle (Onkel Jorge), Diego Giorzi (Rodolfo), Facundo Espinosa (Tomas Granado), Susana Lanteri (Tante Rosana), Fernando Llosa (Von Puttkamer), Marta Lubos (Schatzie von Puttkamer), Natalia Lobo (La Negra)

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Ernesto und Alberto reisen durch Südamerika. Ernesto Guevara (Gael García Bernal) schreibt sein Tagebuch. Ernesto und Alberto auf dem Machu Picchu, Peru. Ernesto behandelt Papa Carlito in der Leprakolonie Peru.

Ich glaube fest, und die Eindrücke dieser Reise haben mich darin bestärkt, dass die Aufteilung Amerikas in willkürliche Nationalitäten, die es so gar nicht gibt, vollkommen fiktiv ist. Wir sind ein bunt gemischtes Ganzes, von Mexiko runter bis zur Magellanstraße. Als ein Zeichen der Befreiung vom Kleingeist des Provinzialismus trinken wir auf Peru: Auf ein vereintes Amerika. - Ernesto verabschiedet sich in der Leprakolonie mit einem politischen Statement.

Plot: Als Ernesto Guevara 1952 gemeinsam mit seinem Jugendfreund Alberto Granado das wohlbehütende Elternhaus und die Universität hinter sich ließ, um auf einem klapprigen Motorrad von Buenos Aires aus die Länder Lateinamerikas – quasi on the road – zu erkunden, hielt er seine Eindrücke von der Reise in einem Tagebuch fest. The Motorcycle Diaries, wie Walter Salles (1998 Oscar-nominiert für Central Station) poetischer Reisebericht im Original heißt, ist die Verfilmung jener Notizen des späteren Revolutionärs „Ché“ Guevara, der 1959 zusammen mit Fidel Castro den politischen Umsturz auf Kuba und die Ablösung des Diktators Battista erkämpfen sollte.
Sieben Jahre zuvor kann davon allerdings noch keine Rede sein: Die Reise des sensiblen Ernesto (Gael Garcia Bernal) und seines Begleiters Alberto (Rodrigo de la Serna) wird anhand einzelner anekdotischer Ereignisse rekapituliert. Die Beiden begegnen etwa chilenischen Dorfschönheiten, sind ein anderes Mal auf der Flucht vor einem gehörnten und auf Rache sinnenden Ehemann und geraten vor allem in Kontakt mit der gesellschaftlichen Unterschicht, unterdrückten Tagelöhnern, die in allen Ländern, die Guevara und Granado durchqueren, das gleiche Schicksal teilen: Armut.

Kritik: Das dramaturgische Muster der Geschichte ist literarisch und filmisch wohlbekannt: Der Ausbruch aus dem Elternhaus, die Reise durch fremde Länder – zunächst auf dem Motorrad und später als Tramper – bedeutet mehr als einen Abenteuertrip, es ist eine Initiation, vor allem für den Jüngling Guevara. Der etwas ältere Granado kontrastiert dessen unschuldige Aufrichtigkeit mit einer verschmitzten Gerissenheit: Ist Ernesto von Beginn an ein Idealist, bleibt Alberto als unverbesserlicher Frauenheld den irdischen Dingen der Welt verbunden.

Das Credo des Films ist bereits durch ein prologisches Zitat aus Guevaras Aufzeichnungen vorgegeben: Es geht nicht um die Taten bedeutender Männer, nicht um eine Heldengeschichte und die Mystifizierung Guevaras, sondern um die subtilen Eindrücke fremder Menschen und fremder Kulturen auf die beiden jungen Abenteurer.
Die Reise des jungen Ché ist ein zurückhaltender, unpathetischer Film, der sich keineswegs – wie die Kritik vereinzelt missverstand – in einer Postkartenidylle verliert. Die Bilder sind im Gegenteil von einer spröden Schlichtheit, die nichts mit der bunten Technicolor-Romantik mancher konventionellerer, idyllisierender Hollywood-Reisefilme zu tun hat, sondern vielmehr dem italienischen Neorealismus verwandt ist, der sich in den fünfziger Jahren um eine authentische Darstellung der sozialen Not bemühte, und zwar direkt auf der Straße, also außerhalb der Studios und ihrer Technik. Die Szenen, in denen die Reisenden dem Elend der mittellosen oder aussätzigen Menschen begegnen, wirken nie aufgesetzt oder sentimentalisiert. Trotz der ernsten Aspekte bewahrt sich der Film einen leichten, mit subtilem Humor durchsetzten Ton.
Der Regisseur Walter Salles ist sich bewusst, dass er das Geheimnis des Mythos Guevara, seine Prägung zum revolutionären Denker, nicht innerhalb eines Films erklären kann, der die wenigen Monate einer Reise in Guevaras Jugendjahren herausgreift. Dennoch erscheint die spätere Entwicklung des Ché, die der Zuschauer zwangsläufig im Hinterkopf hat, durchaus glaubhaft und in einzelnen Momenten vorgezeichnet: das idealistische Ethos, die sich allmählich aufstauende Wut angesichts der sozialen Verhältnisse, die erstaunliche Willenskraft, die in einer beinahe todesmutigen nächtlichen Flussüberquerung gegen Ende offensichtlich wird, die Solidarität mit den Unterdrückten – dem Film gelingt es, die Eigenschaften der historischen Figur nicht etwa plakativ überzustülpen, sondern behutsam in verschiedenen Sequenzen als sich entwickelnde Qualitäten anzudeuten.
Die Wahrhaftigkeit, die viele Szenen ausstrahlen, verdankt sich nicht zuletzt dem neorealistischen Prinzip, weitestgehend auf Laiendarsteller zurückzugreifen. Guevara selbst wird nicht etwa von einem amerikanischen Hollywoodstar gespielt, sondern von Gael Garcia Bernal, der als Mexikaner einen Bezug zu Südamerika und seiner Geschichte hat (und wohl selbst bald ein Star sein wird).

Fazit: Aufrichtiger, poetischer Reisebericht des „jungen Ché“, präzise und geduldig inszeniert, frei von Sozialkitsch oder Jugendverklärung. 9 von 10 nicht gekaufte Badeanzüge.

Dominik Rose
30.10.2004

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808 Stimmen
Schnitt: 4.9
cgi-vote script (c) corona, graphics and add. scripts (c) olasch

Leser-Kommentare:
REEEN (21.11.04): Ein super Film. Der Film war nie langweilig. Er hatte witzige Stellen und zeigte schöne Bilder. Die Story war sehr real und die Message kam auch direkt rüber. Äußerst empfehlenswert.
hanse (14.11.04): Ich fand den Film nicht langatmig, er war einfach nur richtig gut, klasse photographiert und sehr amüsant. Mit Sicherheit einer der besten Filme der letzten Jahre, eine einfache, ruhige Geschichte in unglaublich schönen und intensiven Bildern erzählt. 9 von 10 Schäferhundwelpen.
Sebastian (07.11.04): Die Reise des jungen Che ist ein sehr schöner Film, der zum Nachdenken anregt und ein Pladoyer für die Menschlichkeit ist. Leider ist er aber auch sehr träge erzählt und am Anfang sogar extrem langatmig. Es dauert, bis der Film so richtig in Schwung kommt. Aber ab dem Zeitpunkt, wenn die beiden Reisenden dann endlich mit Land und Leuten richtig in Kontakt kommen, wird der Film auch richtig gut. Vor allem die Landschaftsaufnahmen sind atemberaubend.
Außerdem macht der Film Lust darauf, sich mit der Person Ernesto Guevara de la Serna näher zu beschäftigen und mehr von ihm zu erfahren.
Der Film ist definitiv nur etwas für die Leute, die sich für das Thema interessieren! Aufgrund dessen, dass sich die 126 Minuten doch ein wenig zogen, gibt es von mir nur 7 von 10 Motorradunfällen

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