Abbitte
Drama, Großbritannien/Frankreich 2007, 123 Minuten, ab 12, Prädikat: wertvoll
Originaltitel: Atonement; Deutschlandstart: 08.11.2007 (Universal); Regie: Joe Wright; Produktion: Tim Bevan, Eric Fellner u.a.; Drehbuch: Christopher Hampton nach dem Roman von Ian McEwan; Musik: Dario Marianelli; Kamera: Seamus McGarvey; Schnitt: Paul Tothill

mit Keira Knightley (Cecilia Tallis), James McAvoy (Robbie Turner), Romola Garai (Briony mit 18), Saoirse Ronan (Briony Tallis mit 13), Brenda Blethyn (Grace Turner), Vanessa Redgrave(ältere Briony), Juno Temple (Lola), Alfie Allen (Danny Hardman), Nonso Anozie (Frank Mace) u.a.

Filmplakat
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Offizielle Website (Universal Pictures )
Trailer (Universal Pictures )
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Der dramaturgische Ausgangspunkt hat schon tragisches Format: Zunächst das Zusammentreffen einzelner kleinerer Missgeschicke, dazu eine Missinterpretation und eine unüberlegte Entscheidung, und die Geschehnisse nehmen ihren üblen Lauf. Ian McEwan hat aus der Lüge eines phantasiebegabten Mädchens ein großes Drama um Schuld und Sühne gestrickt, das zwar chronologische Sprünge aufweist und formal sehr ausgeklügelt ist, was eine Verfilmung von vornherein schwierig macht, aber andererseits auch alle Trümpfe bereithält, von der großes Kino profitieren kann.

Plot: Alles beginnt im snobistisch-gediegenen Umfeld eines vornehmen britischen Landsitzes. Gepflegte Langeweile bestimmt das Leben, man vertreibt sich die Zeit mit Tratsch, harmlosen Spielchen und vorsichtigen Flirts. Wir befinden uns in den späten dreißiger Jahren, die großen persönlichen und weltpolitischen Katastrophen stehen noch bevor. Die 13-jährige Briony (Saoirse Ronan), Hobby-Dramaturgin mit einem Faible für das Theater, beobachtet den sich anbahnenden Flirt ihrer älteren Schwester Cecilia (etwas vorhersehbar besetzt: Keira Knightley) mit dem Sohn der Haushälterin, dem jungen Robbie (stark: James McAvoy), mit einer Mischung aus Eifersucht und Irritation. Als sie einen obszönen Brief Robbies zu lesen bekommt, den dieser so gar nicht an Cecilia hatte versenden wollen, ist sie verstört- zumal sie kurze Zeit später Zeugin einer latent gewalttätigen, sexuellen Szene in der nächtlichen Bibliothek wird, die sie falsch deutet. Als in der Nacht eine Vergewaltigung auf dem elterlichen Anwesen stattfindet, behauptet Briony, den Täter genau gesehen zu haben.

Kritik: Die ersten Minuten sind schon einmal ziemlich beeindruckend. Relativ schnell und ohne großen Aufwand macht Regisseur Joe Wright klar, um was es geht. Die junge Briony, die eine Geschichte auf ihre Schreibmaschine tippt, das Werk ihrer Imagination und zugleich der Ursprung einer verhängnisvollen Wendung. Das, was Briony bei einem unbedachten Blick aus dem Fenster zu sehen glaubt, eine Szene zwischen ihrer Schwester Cecilia und Robbie am Gartenbrunnen, ist nicht das, was sich wirklich abgespielt hat. Der Film macht das gleich zu Anfang mit einer Rückblende klar, die das Geschehen vor den Augen des Zuschauers noch einmal sich abspielen lässt. So funktioniert prinzipiell der gesamte Film. Missverständnisse werden aufgezeigt und begreiflich gemacht, wiederholte Rückblenden erhellen die Motive hinter dem kindlichen Verrat.

Was leicht hätte daneben gehen können, die etwas brave Nacherzählung eines komplexen literaischen Stoffes, funktioniert Dank virtuoser Inszenierung ziemlich gut. Keine Frage, in Sachen filigraner Kameraarbeit und gut getimter Montage macht dem Film keiner etwas vor.
Und dennoch, spätestens nach einer halben Stunde, wenn die ursprüngliche Katastrophe geschehen ist und das Liebespaar auseinandergerissen wird, versinkt Abbitte zunehmend im Melodramatischen. Die Musik schwillt immer wieder hollywoodgerecht an, die Bilder überbieten sich wohlkomponiert an Schönheit, und die Gefühle der Hauptfiguren Cecilia und Robbie werden nicht selten kitschig ausgeschlachtet und auf dahin geseufzte Formeln, „Kehr zu mir zurück!“, reduziert.
Besonders störend ist die Postkarten-Romantik dann, wenn der Schauplatz Richtung französische Front wechselt. War die hübsche Gediegenheit des Landsitzes noch irgendwie passend, wird sie im Getümmel des Zweiten Weltkriegs zu einem ärgerlichen Fake. So blutig manche Szenen auch sind, sie sind ausnahmslos hübsch anzuschauen und erinnern an pathetische Hollywoodstreifen der fünfziger Jahre. Einsam durch sattrote Mohnfelder spazierende Soldaten, die im romantischen Fluss gespiegelten Schatten von am Himmel entlangbrausenden Bombern etc. Das Leiden auf der Leinwand wird bisweilen arg stylisch. So erinnert die an sich schaurig gemeinte Szene, in der Robbie nach einem Fußmarsch zum Zeugen der Folgen eines Massenmordes wird, fatal an die Choreografie eines Theaterstücks. Die Leichen liegen nicht einfach nur in der Landschaft, sie sind offensichtlich sorgsam dort angerichtet worden, damit die Kamera elegisch-tragisch darüber hinweggleiten kann.
Die Süße und das Pathos der Bilder stehen der Glaubwürdigkeit der Geschichte sehr im Wege. Von vielen Kritikern als herausragend und historisch gerühmt, bildet eine minutenlange Kamerafahrt über den diffus-grotesken Schauplatz der Schlacht von Dünkirchen einen zumindest technischen Höhepunkt. Und es stimmt auch, es ist schon außergewöhnlich, wie die Kamrera an Menschenmassen und Requisiten vorbei und mittendurch, dann im Kreise um ein Karussel herum, eine Treppe rauf und wieder runter und immer die Hauptfigur im Blick, dazu das Spektakel der Menschenmassen vor der glutroten Abendröte im Hintergrund, eine elegante Akrobatenleistung vollbringt. Nur, für den Film oder die Geschichte bringt diese Szene rein gar nichts. Es ist, wie so vieles in
Abbitte, ein fragwürdiges Beweisstück für einen an der eigenen Selbstverliebtheit gescheiterten Film.

Fazit: Hübsch ausstaffiertes Bilderbuchkino — virtuos inszeniert, aber auch am eigenen Melodram berauscht. 6 von 10 schlimmste Wörter!

Dominik Rose
13.11.2007

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