Slumdog Millionär
Drama, Großbritannien/USA 2008, 120 Minuten, ab 12
Originaltitel: Slumdog Millionaire; Deutschlandstart: 19.03.2009 (Prokino); Regie: Danny Boyle, Loveleen Tandan; Produktion: Christian Colson, François Ivernel u.a.; Drehbuch: Simon Beaufoy nach dem Roman von Vikas Swarup; Musik: A.R. Rahman; Kamera: Anthony Dod Mantle; Schnitt: Chris Dickens

mit Dev Patel (Jamal K. Malik), Anil Kapoor (Prem Kumar), Saurabh Shukla (Sergeant Srinivas), Rajendranath Zutshi (Direktor), Freida Pinto (Latika), Irrfan Khan (Polizeiinspektor), Azharuddin Mohammed Ismail (Junger Salim), Ayush Mahesh Khedekar (Junger Jamal), Sunil Kumar Agrawal (Mr Chi), Mahesh Manjrekar (Javed), Sanchita Choudhary (Jamals Mutter), Himanshu Tyagi (Mr Nanda), Rubiana Ali (Junge Latika), Tanay Chheda (Mittelalter Jamal), Ashutosh Lobo Gajiwala (Mittelalter Salim), Tanvi Ganesh Lonkar (Mittelalte Latika), Madhur Mittal (Salim) u.a.

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Jamal knackt eine Quizfrage nach der nächsten.
Jamal und sein Bruder Salim kennen sich in den Gassen des Slums bestens aus. Jamals alter Slum wurde längst vom wachsenden Mumbai überwuchert. Latika wartet am Bahnhof von Mumbai.

Das war mal unser Slum. Kann man sich kaum vorstellen, häh? Da drüben haben wir gehaust, Mann. Jetzt sind das alles Bürohäuser. Indien ist jetzt im Zentrum des weltweiten Hypes. Und ich bin im Zentrum vom Zentrum. - Salim zeigt seinem Bruder Jamal das neue Mumbai.

Slumdog Millionär wurde bei der diesjährigen Oscar-Verleihung mit acht Auszeichnungen prämiert, unter anderem als bester Film des Jahres.

Plot: Der achtzehnjährige Jamal (Dev Patel) ist als Kandidat der indischen Show „Who wants to be a Millionaire?“ nur noch eine Frage vom Millionengewinn entfernt. Grund genug für den misstrauischen Moderator (in Indien ein Superstar: Anil Kapoor), ihn an die Polizei auszuliefern. Wie anders als durch Betrug hätte der ungebildete Junge aus den Slums von Mumbai schon so weit kommen können?
Um dem vermeintlichen Schwindler zu überführen, schreckt die Polizei nicht vor brutalen Verhörmethoden wie Elektroschocks zurück (kaum vorstellbar, dass Günther Jauch in der deutschen Variante der Show in einem Verdachtsfall zu ähnlich drastischen Mitteln greifen würde). Als die Folter kein Ergebnis bringt, wird Jamal im Verhör ein Videomitschnitt der Sendung vorgespielt. Der Polizeiinspektor verlangt, dass Jamal eine plausible Erklärung liefert, wie er selbst die schwierigsten Fragen hat beantworten können. In einer doppelten Rückblende wird nun die dramatische Geschichte des Slumdogs aufgerollt, wobei jede der ihm in der Show gestellten Fragen einen Schlüssel zum Verständnis seiner Vergangenheit liefert.
Im Zuge religiöser Aufstände zum Waisen geworden, schlägt sich der junge Jamal gemeinsam mit seinem älteren Bruder Salim und der kleinen Latika (als Kind: Rubina Ali, als Erwachsene: Freida Pinto) auf den Straßen Mumbais durch. Schon bald geraten sie in die Fänge eines brutalen Verbrechersyndikats und werden auf der spektakulären Flucht voneinander getrennt. Während der machthungrige Salim in den Folgejahren zu einem Gangster aufsteigt, ist der tapfere Jamal nicht von seinem Wunsch abzubringen, Latika wieder zu sehen. Doch die befindet sich inzwischen in den Händen eines Zuhälters.
Der Inspektor ahnt derweil, dass Jamal kein Betrüger ist. Doch was ihn stutzig macht: Der Junge scheint sich, obgleich nur eine Frage von dem großen Jackpot entfernt, rein gar nichts aus dem verlockenden Millionen-Gewinn zu machen.


Kritik: Slumdog Millionär ist nicht nur ein filmisches Pop Art-Kunstwerk, sondern zugleich ein Triumph der Form über den Inhalt. Tatsächlich erzählt der Film eine klassische Version der bekannten Aufsteiger-Story vom Bettler zum Millionär, wenn auch in den exotischen Großstadt-Moloch Mumbai verlegt. Die Geschichte selbst ist einigermaßen vorhersehbar und zudem angereichert mit einigen Unglaubwürdigkeiten und recht stereotypischen Figuren: Während Jamal den aufrechten Helden verkörpert, sind die Gangster auf der anderen Seite Schurken par excellence, fernab charakterlicher Schattierungen. Im Grunde fällt das alles aber nicht weiter ins Gewicht, denn Slumdog Millionär ist im Herzen ein romantisches Märchen, das jeden mitreißt, der sich darauf einlässt. Bisweilen jedoch bricht die triste Realität seines widersprüchlichen Schauplatzes in krasser Unmittelbarkeit in das bunte Treiben hinein: Armut, Ausbeutung, körperliche Gewalt, Kinderprostitution und Folter sind grausame Versatzstücke, die man in einem konventionellen Liebesmärchen nicht erwarten würde, die sich jedoch bemerkenswert bruchlos in die vielschichtige Gesamtstimmung des Films einpassen – ein künstlerisches Bravourstück, bedenkt man, wie schief das Konzept hätte laufen können.
Slumdog Millionär profitiert unter anderem von seinem perfekt konstruierten Drehbuch, das aus einer recht simplen Geschichte ein Maximum an Dramatik herausholt. Sein größter Trumpf ist jedoch die vor Elan nur so strotzende, mitreißende Inszenierung: rasant fotografierte, großenteils mit handlicher Digitalkamera an Originalschauplätzen gedrehte, verführerische Bilder, technisch meisterhaft geschnitten und mit der pulsierenden Musik des indischen Stars A.R. Rahman unterlegt, verpassen dem Film einen zeitgemäßen, modernen Look, der in seinem Oberflächenglanz und seiner ironischen Leichtigkeit tatsächlich eine Art filmische Pop Art zaubert und zudem perfekt zum Schwindel erregenden Mumbai passt. Regisseur Danny Boyle lebt seine schiere Begeisterung an den technischen und erzählerischen Möglichkeiten des Mediums Film aus und hat sich seinen Oscar redlich verdient.
So einfallsreich und mitreißend der vibrierende Rhythmus Mumbais auch eingefangen wird, die Liebesgeschichte kommt im Vergleich doch etwas mau daher. Was neben einigen eher schlichten Dialogen auch daran liegt, dass die zugegeben bildschöne Freida Pinto nicht mehr sein darf als ein seelenvoll dreinschauender Blickfang – ausgerechnet hier zündet das filmische Feuerwerk nur auf Sparflamme.

Fazit: Poppig-modernes Liebesmärchen, brillant in Szene gesetzt und ansteckend in seiner Vitalität: 9 von 10 spontane Tanzeinlagen auf dem Bahnhof!

Dominik Rose
23.03.2009

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669 Stimmen
Schnitt: 5
cgi-vote script (c) corona, graphics and add. scripts (c) olasch

Leser-Kommentare:
Nikolas (27.04.09): Ich stimme Olaf zu, dass Slumdog in vielerlei Hinsicht an City of God erinnert, ich würde ihn mal grob als den kleinen Hollywood-Bruder einstufen. Weniger nüchterne Realität und Gewalt, viel mehr Hollywood-Märchen. Trotz aller Klischees, Stereotypen und naja-Momenten alles in allem eben doch gut gemacht, kann man nicht anders sagen. Nur zum Ende hin, so die letzten 10 Minuten, brach dann der Kitsch über dem Film ein, wurde gar nichts mehr ausgelassen. Aber mein Gott, ist eben ein Märchen und mehr will es auch nciht sein, alles verkraftbar. Und schön, dass auch noch eine obligatorische Tanzszene mit eingebaut wurde. Nicht der Riesenhit aber ein durchaus sehenswerter Film!
8 von 10 verfluchten Göttern

Eric Draven (27.03.09): Slumdog Millionär ist eine interessante, wenn auch vielleicht schon öfters gehörte, Geschichte, verpackt in eine wunderbare Erzählform. Viele kleine Kurzgeschichten summieren sich zum Ende hin zu einem modernen Märchen - und die 120 Minuten vergehen wie im Flug.
Wen interessieren da schon so Kleinigkeiten wie (von Olaf bereits erwähnt), dass die ganze Geschichte nur funktioniert, weil WWM in Indien anscheinend "live" gesendet wird...
Ich gebe überragende 9 von 10 blinden, singenden Kindern, die das Doppelte bringen.

Olaf (23.03.09): Für mich war Slumdog Millionär eine Art indisches City of God. Mit deutlich weniger Gewalt, aber mit ähnlichen Hoffnungslosigkeiten. - Den stärksten Unterschied sieht man natürlich am Ende, wo die Bollywood-Tanzszene mehr als deutlich macht, dass es sich um ein Märchen handelt.
Dem Korinthenkacker in mir ist natürlich sauer aufgestoßen, dass "Wer wird Millinär?" sicher auch in Indien nicht live gesendet wird.
8 von 10 Aushilfsköche.

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