Another Year
Drama / Komödie, Großbritannien 2010, 129 Minuten, ab 0
Originaltitel: Another Year; Deutschlandstart: 27.01.2011 (Prokino); Regie: Mike Leigh; Produktion: Georgina Lowe, Tessa Ross u.a.; Drehbuch: Mike Leigh; Musik: Gary Yershon; Kamera: Dick Pope; Schnitt: Jon Gregory

mit Jim Broadbent (Tom), Lesley Manville (Mary), Ruth Sheen (Gerri), Oliver Maltman (Joe), Peter Wight (Ken), David Bradley (Ronnie), Martin Savage (Carl), Karina Fernandez (Katie), Michele Austin (Tanya), Philip Davis (Jack), Imelda Staunton (Janet), Stuart McQuarrie (Toms Kollege) u.a.

Filmplakat
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Gerri umarmt ihren kochenden Ehemann Tom.
Frisch verliebt: Joe und seine neue Freundin Katie. Beim Gartenfest kümmert sich Tom um die kleinsten Gäste. Mary macht Joe Avancen.

Auf einer Skala von 1 bis 10. Was würden Sie sagen, wie glücklich Sie sind, Janet? - Eins. - Eins? - Na ich denke, da ist viel Raum für Verbesserungen, finden Sie nicht? - Janet bei der Therapie.

Plot: Für Tom (Jim Broadbent) und Gerri (Ruth Sheen) laufen die Dinge ziemlich geordnet und harmonisch ab. Die Beiden sind um die sechzig, seit vielen Jahren miteinander verheiratet und bewohnen ein gemütliches Haus im Randbezirk von London. Er arbeitet hauptberuflich als Geologe, sie ist Therapeutin beim Gesundheitsamt. Ihre Freizeit verbringen sie mit gemeinsamer Gärtnerei, und am Abend sind sie für Familie und Freunde gern frequentierte Gastgeber. Und da kommen schon die Probleme ins Haus, denn so glatt wie für die Beiden läuft das Leben für viele ihrer Freunde nicht.
Mary (Lesley Manville) zum Beispiel, Gerris chaotische Arbeitskollegin, ist ein wahres Nervenbündel. So leidet sie gleichermaßen unter ihrem fortschreitenden Alter und ihrem unfreiwilligen Single-Dasein, was sie mit reichlich Alkohol herunterzuspülen pflegt. Um Ken (Peter Wight), einen alten Jugendfreund Toms, der sich den Frust in unmäßigen Fressattacken von der Seele futtert, stehen die Dinge auch nicht besser, während Toms Bruder Ronnie (David Bradley, der „Argus Filch“ aus den Harry Potter-Filmen) nach dem Tod seiner Frau wie paralysiert ist und sich zu allem Übel mit einem neurotisch feindseligen Sohn herumschlagen muss.
Die Dinge verkomplizieren sich zusätzlich, als sich die unglückselige Mary ausgerechnet in Joe verknallt, den 30jährigen Sohn von Tom und Gerri. Zu dumm nur, dass der bei einem zufälligen Zusammentreffen im Haus der Eltern plötzlich die vergnügte Katie im Schlepptau hat, seine neue Freundin. Marys Enttäuschung äußert sich in kaum verdeckter Feindseligkeit, was ihre Freundschaft zu Tom und Gerri auf eine harte Probe stellt.

Kritik: A bitter sweet symphony, that´s life: Wer Filme von Mike Leigh kennt (etwa Lügen und Geheimnisse, Vera Drake oder zuletzt Happy-go-Lucky), hat einen Eindruck davon, dass es bei ihm selten um einen dramatischen Spannungsbogen geht, sondern vielmehr um genaue Charakterstudien aus dem Leben der Mittel- und Arbeiterschicht.

Dröges Autorenkino muss jedoch nicht befürchtet werden, denn die Episoden in Another Year strotzen nur so vor Beobachtungsreichtum, pointierten Dialogen und – bei all den kleinen und großen Katastrophen – auch einer gehörigen Portion Humor. Daran hat auch das großartige Darsteller-Ensemble seinen Anteil, aus dem Lesley Manville als exzentrisch Verzweifelte herausragt.
Im Grunde geht es in dem Film um ganz grundsätzliche Fragen: Warum gelingt es manchen Menschen, das eigene Leben glücklich zu meistern, und anderen eben nicht? Eine einfache Antwort versagt uns Mike Leigh konsequenterweise und zeigt die Irrungen und Wirrungen des Lebens vielmehr in ihrer vieldeutigen Komplexität. All den leidvollen Schicksalen zum Trotz, die hinter vielen Figuren aufbrechen, schlägt Another Year einen durchweg optimistischen, leichten Ton an. Tragik und Komik liegen wie im wahren Leben oft nah beieinander, etwa in den verzweifelten Annäherungsversuchen Marys gegenüber dem verlegenen Joe, der die alte Freundin seiner Eltern nicht offen zurückweisen will, oder in der Konfrontation Marys mit Katie, Joes neuer Freundin. Das Leben ist, wie schon „The Verve“ gesungen haben, bittersüß.
Eine wichtige Funktion haben die vier Jahreszeiten, die das Geschehen nicht nur gliedern, sondern jede für sich in Verbindung dazu stehen, was sich dramaturgisch ereignet. Kein Zweifel, die auf den ersten Blick so unspektakulär anmutenden Episoden sind ziemlich doppelbödig und begleiten den Zuschauer noch lange, nachdem der Nachspann längst abgelaufen ist. Für mich, der ich keineswegs alle Werke Mike Leighs gleichermaßen gelungen finde, ist Another Year sein bislang bester Film. Eine gute Gelegenheit, ihm endlich mal den Oscar zu verleihen!

Fazit: Großes Kino, aus dem wahren Leben gegriffen und mit tollen Darstellern gespickt: 9 von 10 Gläschen Wein können ja nicht schaden!

Dominik Rose
26.11.2010

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