Eine dunkle Begierde
Drama, Großbritannien / Deutschland u.a. 2011, 99 Minuten, ab 16, Prädikat: besonders wertvoll
Originaltitel: A Dangerous Method; Deutschlandstart: 10.11.2011 (Universal Pictures); Regie: David Cronenberg; Produktion: Tiana Alexandra, Martin Katz u.a.; Drehbuch: Christopher Hampton nach dem Roman von John Kerr und dem Bühnenstück von Christopher Hampton; Musik: Howard Shore; Kamera: Peter Suschitzky; Schnitt: Ronald Sanders

mit Keira Knightley (Sabina Spielrein), Viggo Mortensen (Sigmund Freud), Michael Fassbender (Carl Jung), Vincent Cassel (Otto Gross), Sarah Gadon (Emma Jung), André Hennicke (Professor Eugen Bleuler), Arndt Schwering-Sohnrey (Sándor Ferenczi), Wladimir Matuchin (Nikolai Spielrein) u.a.

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Falls Sie die Initiative je ergreifen wollen, ich wohne in dem Haus dort drüben. - Das Angebot der Patientin an den Therapeuten.

Plot: Als die von hysterischen Anfällen geplagte Sabina Spielrein (Keira Knightley), eine junge Russin aus bourgeoisem Elternhaus, 1904 in ein Zürcher Sanatorium eingewiesen wird, bietet sich für den aufstrebenden Nervenarzt Carl Gustav Jung (Michael Fassbender) die Gelegenheit, die neue Heilmethode seines berühmten Wiener Kollegen Sigmund Freud (Viggo Mortensen) anzuwenden, die sogenannte Sprechtherapie, die später unter dem Begriff Psychoanalyse ihren Siegeszug auf unzähligen Therapiezimmer-Couches antreten sollte.
Sabina Spielrein erweist sich als ein echter Glücksfall für die neue, „gefährliche Methode“ (so der Originaltitel A Dangerous Method): Schwer sexualneurotisch, leidet sie unter den Folgen der gewalttätigen Erziehung ihres Vaters, offenbart nervöse Angstzustände und eine stark masochistisch ausgeprägte Vorliebe – also viel Arbeit für C.G. Jung, der bald nach Wien reist, um sich mit dem bewunderten Mentor Freud über den Fall Spielrein und die Therapie auszutauschen. Als dieser ihm den Kontakt zum anarchististischen, sexsüchtigen Psychiater Otto Gross (großartig: Vincent Cassel) vermittelt, bedeutet das für den in seiner bürgerlichen Ehe und diversen Konventionen gefangenen Jung eine erstaunliche Bewusstseinserweiterung: Von Gross bestärkt, den sexuellen Kontakt zu seiner Patientin zu suchen, lässt sich Jung auf eine von sadomasochistischen Spielen befeuerte Liaison zu Sabina Spielrein ein.

Kritik: Eine dunkle Begierde, so der reichlich blumige deutsche Titel der Dramen-Verfilmung „The Talking Cure“ von Christopher Hampton, ist ja eigentlich wie geschaffen für Regisseur David Cronenberg, den kompromisslosen Meister abgründiger, düsterer Stoffe, in denen es oft um körperliche wie seelische Grenzüberschreitungen geht. So empfindet eine Gruppe todessehnsüchtiger Fetischisten in Crash von 1996 sexuelle Lust beim Inszenieren von Autounfällen, während in der faszinierenden Psychostudie Die Unzertrennlichen ein Zwillingspaar, beides angesehene Gynäkologen, allmählich in den Wahnsinn abdriftet.

Von solcherlei Abgründen ist Cronenbergs neues Werk ziemlich weit entfernt, Eine dunkle Begierde wirkt streckenweise geradezu brav. Die erotischen Sado-Maso-Spiele zwischen Jung und Spielrein interessieren Cronenberg, lapidar wie sie abgefilmt sind, offensichtlich ohnehin nicht besonders, sein Film ist eher akkurates Historienkino als Psychostudie.
Interessanter als die vorgebliche Liebesbeziehung, bei der es nicht so recht zündet, sind da schon die Rededuelle zwischen den zwei Vorreitern der Psychoanalyse, die einen Eindruck geben von den drastischen Umwälzungen, denen die europäische Geisteswelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausgesetzt war. Viggo Mortensen spielt Sigmund Freud mit der arroganten Erhabenheit eines Don Corleone, während Michael Fassbender äußerst nuanciert den gehemmten Langweiler Jung verkörpert. Cronenberg inszeniert das Duell der beiden so unterschiedlichen Männer als beeindruckendes Dekor- und Kostümfest, bei dem offensichtlich reichlich Recherchearbeit und auch Budget investiert wurde. Allein zu sehen, wie originalgetreu Freuds legendärer, mit antiken Sammlerstücken angereicherter Schreibtisch rekonstruiert ist, macht schon Freude.
Dennoch ist es das eine, über die dunklen Seiten der Seele zu fachsimpeln, und das andere, diese auch nachfühlbar zu machen – woran der Film krankt. Keira Knightley legt sich mächtig ins Zeug, die hysterischen Anfälle und neurotischen Ticks ihrer Figur glaubhaft zu verkörpern, was streckenweise schon eindrucksvoll und auch mutig ist, oft jedoch innerhalb eines äußerst kontrolliert und zurückgenommen agierenden Ensembles arg forciert wirkt und ins Leere läuft. Überhaupt ist zu vieles nur sorgsam ausgestellt (man merkt schon, dass es sich um eine Theateradaption handelt), mit viel Liebe fürs Detail, aber wenig Inspiration für das Abgründige. Hervorragend wie immer ist Vincent Cassel in seinem leider viel zu kurzen Auftritt als manischer Otto Gross. Bei ihm – der, dem Wahnsinn nahe, das Über-Ich an moralischen Reglementierung abgestreift hat und ungehemmt seiner Libido gehorcht – ahnt man tatsächlich etwas von der Gefahr, die der Originaltitel des Films nur behauptet.

Fazit: Detailverliebte Studie über die führenden Köpfe der Psychoanalyse, gut gespielt, aber für einen Cronenberg-Film überraschend oberflächlich: 7 von 10 Träume, die Freud lieber für sich behält!

Dominik Rose
20.11.2011

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