Blau ist eine warme Farbe
Drama / Romanze, Frankreich 2013, 179 Minuten, ab 16
Originaltitel: La vie d'Adèle, chapitres 1&2; Deutschlandstart: 19.12.2013 (Wildbunch/Central/Alamode); Regie: Abdellatif Kechiche; Produktion: Brahim Chioua, Laurence Clerc u.a.; Drehbuch: Abdellatif Kechiche, Ghalia Lacroix, Julie Maroh; Musik: Jean-Paul Hurier, Elise Luguern; Kamera: Sofian El Fani; Schnitt: Sophie Brunet, Ghalia Lacroix u.a.

mit Léa Seydoux (Emma), Adèle Exarchopoulos (Adèle), Salim Kechiouche (Samir), Aurélien Recoing (Adèles Vater), Catherine Salée (Adèles Mutter), Benjamin Siksou (Antoine), Mona Walravens (Lise), Alma Jodorowsky (Béatrice), Jérémie Laheurte (Thomas), Anne Loiret (Emmas Mutter), Benoît Pilot (Emmas Vater), Sandor Funtek (Valentin), Fanny Maurin (Amélie), Maelys Cabezon (Laetitia), Samir Bella (Samir) u.a.

Filmplakat
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Auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes wurden der Film und seine Hauptdarstellerinnen Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Plot: Als die 15-jährige Adèle (Adèle Exarchopoulos) der Kunststudentin Emma (Léa Seydoux) begegnet, stellt das ihr Leben völlig auf den Kopf. Eine vage Ahnung, dass sie lesbisch sein könnte, überkam sie bereits bei einer verspielten Knutscherei mit einer Mitschülerin auf dem Pausenhof, aber jetzt gibt es keine Zweifel mehr: Adèle und Emma verlieben sich leidenschaftlich ineinander. Mit ihren blauen Haaren, ihrer selbstbewussten Art und dem freigeistigen Elternhaus verkörpert Emma das genaue Gegenteil der noch unsicher sich selbst erforschenden Adèle, die mit ihren Eltern im Arbeiterviertel von Lille lebt und fasziniert in die neue Welt aus Kultiviertheit und hingebungsvollem Liebesglück eintaucht, die sich ihr durch die neue Freundin offenbart.
Einige Jahre vergehen, Adèle und Emma leben inzwischen zusammen. Aus dem Liebesfeuer der Anfangszeit ist eine gefestigte Beziehung erwachsen, die allerdings zunehmend durch die unterschiedlichen Lebensentwürfe der beiden Frauen belastet wird. Während die bodenständige Adéle als Erzieherin in einem Kindergarten arbeitet, will sich die ambitionierte Emma als Malerin verwirklichen. Da Adéle sich zunehmend nicht ernst genommen fühlt, beginnt sie eine Affäre mit einem Arbeitskollegen, der ihr im Grunde nichts bedeutet. Als Emma davon erfährt, steht die Beziehung vor dem Aus.

Kritik: Blau ist eine warme Farbe (im Original: La vie d´Adèle) ist ein Film, der noch lange Zeit nachwirkt, nachdem man den Kinosaal längst verlassen hat. Die Geschichte um den Beginn und das Ende einer Liebe mag sich um nichts wesentlich Neues drehen, aber die Intensität, mit der Regisseur Abdellatif Kechiche von der Euphorie und der Ekstase der ersten Liebe erzählt, sowie der Verzweiflung, als die Liebe auseinander bricht, all das macht seinen Film zu einem emotional mitreißenden Ereignis.
In langen, kunstvoll konzipierten Szenen kommt man den beiden Hauptfiguren so nah, wie das nur sehr selten im Kino gelingt. Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux sind in den Hauptrollen ganz einfach spektakulär. Ihre darstellerischen Leistungen wirken so unmittelbar und authentisch, dass man nach einer Weile völlig vergisst, fiktionalen Charakteren zu folgen.

Während Exarchopoulos meisterhaft die Unsicherheit und scheue Überwältigung ihrer Figur und deren allmähliches Erwachsenwerden einfängt, porträtiert Seydoux ihre Emma als freigeistige Bohémien mit draufgängerischer Direktheit. Die viel beschworene Chemie zwischen zwei Schauspielern, die ihre Liebe glaubhaft vermitteln müssen, hier ist sie jederzeit spürbar. Das macht den Film zu einem emotionalen Knockout, der manchmal – in den verzweifelten Momenten der Trennung, als Adéles Leben vor den Augen des Zuschauers zusammenbricht – nur schwer zu ertragen ist.
Als Blau ist eine warme Farbe in Cannes aufgeführt wurde, haben sich viele Kritiker über die ausschweifenden Sexszenen aufgeregt, die zwar tatsächlich ziemlich explizit sind, dabei aber weder pornografisch noch aufgesetzt wirken – sondern vielmehr ein elementarer Teil der Sinnesfreuden sind, von denen der Film erzählt. Unter anderem erzählt, denn in seinem Subtext geht es neben der Liebesgeschichte auch um die Beschreibung sozialer Milieus, etwa in der unterschiedlichen Esskultur der beiden Familien eingefangen, und ebenso um die bedeutende Rolle der kulturellen Selbstfindung. Egal, ob durch Literatur, Musik oder die bildende Kunst – die beiden Hauptfiguren sind in großem Maße von kulturellen Einflüssen geprägt, die einerseits eine Gemeinsamkeit schaffen, als die beiden Frauen sich anfreunden und über die Dinge austauschen, die sie bewegen, andererseits – wenn es um Emmas Malerei geht – auch eine im Laufe der Zeit anwachsende Kluft zwischen ihnen manifestiert. Wenn Adèle Emma etwa Modell für ihre Zeichnungen sitzt, spiegelt sich darin auch das Begehr Emmas, die jüngere Freundin nach den eigenen Vorstellungen zu formen. Der gut dreistündige Film steckt voller solch präziser Beobachtungen und Details, die sich zu einem vielschichtigen Porträt seiner beiden Hauptfiguren und ihres sozio-kulturellen Hintergrunds fügen. Hier stimmt einfach alles, ganz großes Autorenkino!

Fazit: Einer der packendsten Liebesfilme der vergangenen Jahre, großartig inszeniert und mit zwei brillanten Darstellerinnen in den Hauptrollen: 10 von 10 magische Begegnungen an der Straßenkreuzung!

Dominik Rose
02.12.2013

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