Frances Ha
Drama / Komödie, USA 2012, 120 Minuten, ab 12
Originaltitel: Frances Ha; Deutschlandstart: 01.08.2013 (MFA); Regie: Noah Baumbach; Produktion: Noah Baumbach, Scott Rudin u.a.; Drehbuch: Noah Baumbach, Greta Gerwig; Kamera: Sam Levy; Schnitt: Jennifer Lame

mit Greta Gerwig (Frances), Mickey Sumner (Sophie), Michael Esper (Dan), Adam Driver (Lev), Michael Zegen (Benji), Charlotte d'Amboise (Colleen), Grace Gummer (Rachel), Daiva Deupree (Kellnerin), Justine Lupe (Nessa), Patrick Heusinger (Patch), Christine Gerwig (Mutter), Gordon Gerwig (Vater) u.a.

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Frances.
Sophie und Frances. Lev und Frances. Frances.

Was machst du? - Das ist eine ganz dumme Frage. ... War nur 'n Scherz. ... Ähm, das ist schwer zu erklären. - Weil du was so kompliziertes machst? - Weil ich es streng genommen gar nicht mache. Ich bin Tänzerin, denk' ich. - Frances beim Essen mit Freunden.

Plot: Das Leben in New York mag ohnehin schon ziemlich komplex sein, vor allem wenn man sich nach dem College in einem Zustand existentieller Ratlosigkeit befindet und noch nicht so recht weiß, wie das Leben am besten zu meistern wäre (dieser Zustand kann sich recht lange hinziehen), aber für die von einem Übermaß an Schusseligkeit gehandicapte Frances (Greta Gerwig) ist es schon Herausforderung genug, möglichst katastrophenfrei durch den Tag zu kommen – egal ob im Big Apple oder sonst wo auf der Welt.
Eigentlich möchte sie gern Tänzerin werden, aber ein geregeltes Einkommen hat sie als Auszubildende in einem Tanz-Ensemble nicht, ebenso wenig wie eine feste Bleibe. Zumindest nicht mehr, seit ihre beste Freundin Sophie (Mickey Sumner) ihr eröffnet hat, aus dem gemeinsamen Apartment aus- und bei einer Bekannten in einem besonders angesagten Viertel einzuziehen. Ausgerechnet, dabei hatte Frances doch sogar mit ihrem Ex-Freund Schluss gemacht, weil sie lieber mit Sophie als mit ihm zusammenwohnen wollte. Immerhin Glück, dass sie auf einer Party die Bekanntschaft von Lev (Adam Driver) macht, einem künstlerisch ambitionierten Frauenheld, in dessen Wohnung grad ein Zimmer frei wird. Außer den Beiden lebt dort noch Benji, der im Internet alte Ray Ban-Sonnenbrillen kauft und ein Probe-Drehbuch für Gremlins 3 verfasst. Mögen es die Unwägbarkeiten des Lebens sein, mit denen Frances ständig konfrontiert wird, oder ihre eigene Sprunghaftigkeit, aber bald treibt es sie weiter, in die Kleinstadt Poughkeepsie, wo sie als Studienberaterin und Servicekraft jobbt, über Weihnachten zu den Eltern nach Sacramento, für einen einigermaßen verpeilten Wochenendtrip nach Paris - und wieder zurück nach New York. Als Sophie mit ihrem versnobten Verlobten Patch nach Tokio zieht und sich für Frances ein Engagement bei der Tanz-Company zerschlägt, muss sie sich etwas einfallen lassen. Zum Glück lässt sie sich von ein paar Niederschlägen nicht so leicht unterkriegen!

Kritik: Frances Ha hätte wirklich sehr leicht misslingen können, mit seiner nur lose geknüpften, handlungsarmen Story und einer nicht unkomplizierten Hauptfigur, von deren Glaubwürdigkeit das Gelingen des gesamten Film abhängig ist.

Bevor ich jetzt weiter orakele, auf wie viele verschiedene Weisen im Detail Frances Ha hätte scheitern können, offenbare ich lieber gleich meinen ungebremsten Enthusiasmus über diesen poetischen, humorvollen, ehrlichen und bei aller Tiefgründigkeit wunderbar leichtfüßigen und unprätentiösen Film!
Ein wichtiger Grund, warum Frances Ha so gut funktioniert, liegt für mich in der zwar warmherzigen, aber gleichzeitig auf Distanz bedachten Erzählweise von Regisseur Noah Baumbach (zuletzt: Greenberg). So gerät die Hauptfigur weder unangenehm anbiedernd noch zu einer komischen Karikatur, sondern zu einem vielschichtigen Charakter, der sich mit ernst zu nehmenden existentiellen Fragen herumschlägt. Trotzdem ist es nur schwer vorstellbar, die chaotische Frances nicht zu mögen. Greta Gerwig, die übrigens gemeinsam mit Baumbach das mit zahlreichen pointierten Dialogen gespickte Drehbuch verfasst hat, beweist ein fabelhaftes Timing für die humorvollen und die nachdenklichen, traurigen Momente des Films. Ihre Frances sprüht vor Elan und konstanter Überforderung, ist aber gleichzeitig tapfer und kämpferisch genug, nicht durch einen konventionellen Drehbuchkniff von einem starken Mann errettet werden zu müssen.
Auf der ästhetischen Ebene ist Frances Ha eine unverkennbare Hommage an Woody Allens poetisches New York-Porträt Manhattan und an die frühen Nouvelle Vague-Filme von Francois Truffaut, und das liegt nicht vorrangig daran, dass er ebenfalls in Schwarzweiß gedreht ist. Vielmehr offenbart Frances Ha eine ähnliche Zärtlichkeit und Anteilnahme am Schicksal seiner Hauptfigur und orientiert sich darüber hinaus an einer offenen Dramaturgie, die oftmals improvisiert rüber kommt. Das Flair der Truffaut-Klassiker wird musikalisch unterstrichen von einigen alten Georges Delerue-Stücken, die ganz wunderbar zu dem Esprit des Films passen. Überhaupt ist der Soundtrack von besonderer Bedeutung, fast wie ein eigener Charakter, etwa wenn Frances im Gefühl der Hochstimmung zu David Bowies „Modern Love“ Pirouetten drehend über die Straßen von New York tanzt. Das ist vielleicht die große Kunst: Derart leichtfüßig von den fiesen kleinen Fallstricken des Lebens zu erzählen, ganz ohne überheblich-ironischen Blick, und dabei einen derart verspielten Ton anzuschlagen, dass man selbst total beschwingt aus dem Kino kommt. Auf die Gefahr hin, als unzurechnungsfähig begeistert abgestempelt zu werden: ein magischer Film!

Fazit: Beschwingtes Indie-Meisterwerk auf den Spuren von Woody Allen und der Nouvelle Vague, mit einer unschlagbaren Greta Gerwig in der Hauptrolle: 10 von 10 Ahoi Sexy!

Dominik Rose
24.07.2013

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