Was
machst du? - Das ist eine ganz dumme Frage. ... War nur 'n Scherz. ...
Ähm, das ist schwer zu erklären. - Weil du was so kompliziertes
machst? - Weil ich es streng genommen gar nicht mache. Ich bin Tänzerin,
denk' ich. - Frances beim Essen mit Freunden.
Plot:
Das Leben in New York mag ohnehin schon ziemlich
komplex sein, vor allem wenn man sich nach dem College in einem Zustand
existentieller Ratlosigkeit befindet und noch nicht so recht weiß,
wie das Leben am besten zu meistern wäre (dieser Zustand kann sich
recht lange hinziehen), aber für die von einem Übermaß
an Schusseligkeit gehandicapte Frances (Greta Gerwig) ist es schon Herausforderung
genug, möglichst katastrophenfrei durch den Tag zu kommen –
egal ob im Big Apple oder sonst wo auf der Welt.
Eigentlich möchte sie gern Tänzerin werden, aber ein geregeltes
Einkommen hat sie als Auszubildende in einem Tanz-Ensemble nicht, ebenso
wenig wie eine feste Bleibe. Zumindest nicht mehr, seit ihre beste Freundin
Sophie (Mickey Sumner) ihr eröffnet hat, aus dem gemeinsamen Apartment
aus- und bei einer Bekannten in einem besonders angesagten Viertel einzuziehen.
Ausgerechnet, dabei hatte Frances doch sogar mit ihrem Ex-Freund Schluss
gemacht, weil sie lieber mit Sophie als mit ihm zusammenwohnen wollte.
Immerhin Glück, dass sie auf einer Party die Bekanntschaft von
Lev (Adam Driver) macht, einem künstlerisch ambitionierten Frauenheld,
in dessen Wohnung grad ein Zimmer frei wird. Außer den Beiden
lebt dort noch Benji, der im Internet alte Ray Ban-Sonnenbrillen kauft
und ein Probe-Drehbuch für Gremlins 3 verfasst. Mögen
es die Unwägbarkeiten des Lebens sein, mit denen Frances ständig
konfrontiert wird, oder ihre eigene Sprunghaftigkeit, aber bald treibt
es sie weiter, in die Kleinstadt Poughkeepsie, wo sie als Studienberaterin
und Servicekraft jobbt, über Weihnachten zu den Eltern nach Sacramento,
für einen einigermaßen verpeilten Wochenendtrip nach Paris
- und wieder zurück nach New York. Als Sophie mit ihrem versnobten
Verlobten Patch nach Tokio zieht und sich für Frances ein Engagement
bei der Tanz-Company zerschlägt, muss sie sich etwas einfallen
lassen. Zum Glück lässt sie sich von ein paar Niederschlägen
nicht so leicht unterkriegen!
Kritik:
Frances Ha hätte wirklich sehr leicht
misslingen können, mit seiner nur lose geknüpften, handlungsarmen
Story und einer nicht unkomplizierten Hauptfigur, von deren Glaubwürdigkeit
das Gelingen des gesamten Film abhängig ist.
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Bevor
ich jetzt weiter orakele, auf wie viele verschiedene Weisen im Detail
Frances Ha hätte scheitern können, offenbare ich
lieber gleich meinen ungebremsten Enthusiasmus über diesen poetischen,
humorvollen, ehrlichen und bei aller Tiefgründigkeit wunderbar
leichtfüßigen und unprätentiösen Film!
Ein wichtiger Grund, warum Frances Ha so gut funktioniert,
liegt für mich in der zwar warmherzigen, aber gleichzeitig auf
Distanz bedachten Erzählweise von Regisseur Noah Baumbach (zuletzt:
Greenberg). So gerät die Hauptfigur weder unangenehm anbiedernd
noch zu einer komischen Karikatur, sondern zu einem vielschichtigen
Charakter, der sich mit ernst zu nehmenden existentiellen Fragen herumschlägt.
Trotzdem ist es nur schwer vorstellbar, die chaotische Frances nicht
zu mögen. Greta Gerwig, die übrigens gemeinsam mit Baumbach
das mit zahlreichen pointierten Dialogen gespickte Drehbuch verfasst
hat, beweist ein fabelhaftes Timing für die humorvollen und die
nachdenklichen, traurigen Momente des Films. Ihre Frances sprüht
vor Elan und konstanter Überforderung, ist aber gleichzeitig tapfer
und kämpferisch genug, nicht durch einen konventionellen Drehbuchkniff
von einem starken Mann errettet werden zu müssen.
Auf der ästhetischen Ebene ist Frances Ha eine unverkennbare Hommage
an Woody Allens poetisches New York-Porträt Manhattan
und an die frühen Nouvelle Vague-Filme von Francois Truffaut, und
das liegt nicht vorrangig daran, dass er ebenfalls in Schwarzweiß
gedreht ist. Vielmehr offenbart Frances Ha eine ähnliche Zärtlichkeit
und Anteilnahme am Schicksal seiner Hauptfigur und orientiert sich darüber
hinaus an einer offenen Dramaturgie, die oftmals improvisiert rüber
kommt. Das Flair der Truffaut-Klassiker wird musikalisch unterstrichen
von einigen alten Georges Delerue-Stücken, die ganz wunderbar zu
dem Esprit des Films passen. Überhaupt ist der Soundtrack von besonderer
Bedeutung, fast wie ein eigener Charakter, etwa wenn Frances im Gefühl
der Hochstimmung zu David Bowies „Modern Love“ Pirouetten
drehend über die Straßen von New York tanzt. Das ist vielleicht
die große Kunst: Derart leichtfüßig von den fiesen
kleinen Fallstricken des Lebens zu erzählen, ganz ohne überheblich-ironischen
Blick, und dabei einen derart verspielten Ton anzuschlagen, dass man
selbst total beschwingt aus dem Kino kommt. Auf die Gefahr hin, als
unzurechnungsfähig begeistert abgestempelt zu werden: ein magischer
Film!
Fazit: Beschwingtes
Indie-Meisterwerk auf den Spuren von Woody Allen und der Nouvelle Vague,
mit einer unschlagbaren Greta Gerwig in der Hauptrolle: 10 von
10 Ahoi Sexy!
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