Grand Budapest Hotel
Drama / Komödie, USA / Deutschland 2014, 100 Minuten, ab 12, Prädikat: besonders wertvoll
Originaltitel: The Grand Budapest Hotel; Deutschlandstart: 06.03.2014 (20th Century Fox); Regie: Wes Anderson; Produktion: Wes Anderson, Eli Bush u.a.; Drehbuch: Wes Anderson, Hugo Guinness nach einer Vorlage von Stefan Zweig; Musik: Alexandre Desplat; Kamera: Robert D. Yeoman; Schnitt: Barney Pilling

mit Ralph Fiennes (M. Gustave), F. Murray Abraham (Mr. Moustafa), Mathieu Amalric (Serge X.), Adrien Brody (Dmitri), Willem Dafoe (Jopling), Jeff Goldblum (Deputy Kovacs), Harvey Keitel (Ludwig), Jude Law (junger Schriftsteller), Bill Murray (M. Ivan), Edward Norton (Henckels), Saoirse Ronan (Agatha), Jason Schwartzman (M. Jean), Léa Seydoux (Clotilde), Tilda Swinton (Madame D.), Tom Wilkinson (Autor) u.a.

Filmplakat
Internet Movie Database ()
Offizielle Website (20th Century Fox )
Trailer ()
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Erfahrung? - Hotel Kinski: Küchenbursche, sechs Monate. Hotel Berlitz, Mopp- und Besenbursche, drei Monate. Davor war ich Pfannenschrubber... - Erfahrung: Zero. - M. Gustave im Vorstellungsgespräch mit Zero Mustafa.

Plot: Die Geschichte beginnt mit einem furiosen dreifachen Zeitsprung zurück: Zunächst sehen wir eine junge Frau, die sich auf einem Friedhof in der fiktiven osteuropäischen Republik Zubrowka dem Denkmal eines Schriftstellers nähert, in den Händen haltend dessen Buch „Das Grand Budapest Hotel“. Dann jener Schriftsteller (Tom Wilkinson) höchstpersönlich, im Jahre 1985, wie er sich auf ein Interview zur Hintergrundgeschichte seines Werks vorbereitet und dabei – ein weiterer Sprung zurück ins Jahr 1968 – von seiner Begegnung mit dem ehemaligen Besitzer des einst luxuriösen, in der Zwischenzeit jedoch heruntergekommenen Hotels Grand Budapest berichtet, dem schwermütigen Zero Mustafa (F. Murray Abraham). Bei einem gemeinsamen Dinner erzählt Mustafa dem Schriftsteller (in jüngeren Jahren: Jude Law) die Geschichte des Hotels, die eng mit seiner eigenen Lebensgeschichte verknüpft ist.
Im Jahre 1932 (die Leinwand verengt sich als technische Hommage an das Kino jener Zeit), als der junge Zero (Tony Revolori) seine Stelle als „Lobby Boy“ im Grand Budapest antritt, werden die Geschicke des Hauses von Monsieur Gustave (klasse: Ralph Fiennes) gelenkt, einem die Lyrik und ältere Damen liebenden Concierge. Unter seinen zahlreichen Affären ist jene mit der adeligen Céline Villeneuve Desgoffe und Taxis, kurz Madame D. (kurios als Greisin: Tilda Swinton), von schicksalhafter Bedeutung, denn als die reiche Frau plötzlich stirbt, befindet sich Monsieur Gustave inmitten eines erbitterten Erbstreits. Zum großen Entsetzen der boshaften Sippschaft hat Madame D. Gustave nämlich das millionenschwere Renaissancegemälde „Jüngling mit Apfel“ vermacht, was insbesondere das neue Oberhaupt Dmitri Desgoffe und Taxis (Adrien Brody), Hausherr des düsteren Schlosses Lutz, zur Weißglut bringt. J. G. Jopling (grandios schurkenhaft: Willem Dafoe), der skrupellose Gehilfe Dmitris, soll die Dinge auf seine Art regeln.
Die Ereignisse überschlagen sich: Während Monsieur Gustave auf eine Verleumdung hin als angeblicher Mörder von Madame D. festgenommen und in eine Gefängnisfestung gesteckt wird (wo er sich eine Zelle unter anderem mit Ludwig alias Harvey Keitel teilen muss), wird die Republik Zubrowka von einer Invasion kriegerischer Truppen bedroht, angeführt vom Todesschwadron ZZ. Zero versucht im allgemeinen Chaos gemeinsam mit seiner Geliebten Agatha (Saoirse Ronan), Monsieur Gustave aus seinem Kerker zu befreien.

Kritik: Um es gleich vorweg zu nehmen, Wes Andersons neues Werk ist in jeder Hinsicht – ob handwerklich, erzählerisch oder schauspielerisch – ein absolut großartiger Film geworden. Virtuos inszeniert, vollgepackt mit originellen und charmanten Einfällen, dazu mit einer überbordenden Phantasie erzählt, die den Zuschauer immer wieder ins Staunen versetzt. Schon rein optisch ist Grand Budapest Hotel, wie so viele Vorgängerfilme seines Regisseurs auch (The Royal Tenenbaums, Moonrise Kingdom), ein Genuss: Mit seinem liebevoll ausgearbeitetem Dekor, etwa der von imperialer Pracht zu kommunistischer Tristesse gewandelten Innenausstattung des Grand Budapest, mit den unzähligen kleinen Requisite-Schmuckstücken von der „Trans Alpine Yodel“-Zeitung über ein missachtetes Egon Schiele-Gemälde hin zu den Tätowierungen auf Harvey Keitels Oberkörper – es braucht ein mehrmaliges Sehen, um das alles wirklich aufnehmen und angemessen würdigen zu können.
Diese visuellen Attraktionen sind allerdings kein Selbstzweck, sondern stehen im Dienst eines erzählerischen Einfallsreichtums, der typisch ist für Wes Andersons Filme. Das Gleiche gilt für die literarischen Referenzen, die äußerst gekonnt in die filmische Erzählung eingebunden sind: die Off-Kommentare des Schriftstellers, die altmodisch ausgeschmückten Kapiteltafeln, der ganze, romanhaft ausschweifende Erzählgestus. Ich kenne aktuell keinen anderen zeitgenössischen Regisseur, dem die pure Freude am Geschichtenerzählen so sehr anzumerken ist. Ein Produkt dieser Erzählwut sind unter anderem die vielen prägnanten Nebenfiguren, die den Wes Anderson-Kosmos bevölkern und die auch hier wieder anzutreffen sind, gespielt von einigen der besten Schauspieler unserer Zeit. Besonders eindrucksvoll sind sicher Tilda Swinton als greise Madame D. und Willem Dafoe als Auftragsmörder mit Pferdegebiss, aber darüber hinaus ist es einfach auch schön, den großartigen Harvey Keitel einmal wieder zu sehen, oder Mathieu Amalric (Schmetterling und Taucherglocke) in der Rolle des Concierge im Schloss Lutz.
So skurril und irrsinnig komisch viele Szenen auch sein mögen, so ist der Film doch zugleich auch von einer Wehmut und Traurigkeit erfüllt, die der Geschichte und ihren Figuren erst die nötige Substanz und Tiefe verleiht, um als Zuschauer Anteil nehmen zu können, etwa mit dem in Erinnerungen an seine Jugendliebe gefangenen Zero Mustafa oder den stets um Haltung bewahrten, von der modernen Zeit überholten Monsieur Gustave. Um sich gegen die düsteren Mächte zur Wehr setzen zu können, auch das ist eine Botschaft des Films, muss man sich zusammentun, wie der anfangs etwas hochnäsige Gustave und der eigentliche Niemand Zero – Wes Andersons Filme sind nicht zuletzt auch Plädoyers für Freundschaft und Zusammenhalt, und das ist sicher nicht ihre geringste Qualität.

Fazit: Ein Meisterwerk an Erzählkunst und handwerklicher Brillanz, und dazu der schönste Ensemblefilm des Jahres: 10 von 10 Muttermale in der Form von Mexiko!

Dominik Rose
16.03.2014

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