L.A. Crash
Drama, USA/Deutschland 2004, 113 Minuten, ab 12
Originaltitel: Crash; Deutschlandstart: 04.08.2005 (Universum/Central); Regie: Paul Haggis; Produktion: Don Cheadle, Paul Haggis u.a.; Drehbuch: Paul Haggis, Robert Moresco; Musik: Mark Isham, Kathleen York u.a.; Kamera: James Muro, Dana Gonzales; Schnitt: Hughes Winborne

mit Sandra Bullock (Jean Cabot), Don Cheadle (Det. Graham Waters), Matt Dillon (Sgt. Ryan), Jennifer Esposito (Ria), William Fichtner (Jake Flanagan), Brendan Fraser (Dist. Atty. Richard 'Rick' Cabot), Terrence Howard (Cameron), Cris 'Ludacris' Bridges (Anthony), Thandie Newton (Christine), Ryan Phillippe (Officer Hanson), Larenz Tate (Peter Waters), Tony Danza (Fred), Keith David (Lt. Dixon), Shaun Toub (Farhad), Loretta Devine (Shaniqua Johnson) u.a.

Filmplakat
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Officer Ryan und sein Partner Officer Hanson. Carjacking: Anthony bedroht Cameron Thayer. Farhad und seine Tochter beim Kauf einer Waffe. Detective Waters ermittelt in einem Mordfall.

Ich glaub, du kapierst überhaupt nichts. Du hast nicht den blassesten Schimmer, warum Busse so supergroße Seitenscheiben haben, oder? - Warum? - Na bloß aus einem Grund: Um die Farbigen, die gezwungen sind da mitzufahren, zu demütigen... - Anthony will nicht mit Peter in den Bus steigen.

Plot: 36 Stunden in L.A.; eine Kette unterschiedlicher Ereignisse strebt unabwendbar einer Katastrophe entgegen:
Der schwarze Detective Waters (Don Cheadle) ermittelt mit seiner Partnerin Ria (Jennifer Esposito) in einem Mordfall. Das pikante: Ein weißer Undercover-Ermittler hat einen schwarzen Kollegen erschossen.
Die beiden schwarzen 'Verschwörungtheoretiker' Anthony (Chris 'Ludacris' Bridges) rauben den Wagen des Bezirksstaatsanwalts Rick Cabot (Brendan Fraser), der gerade für seine Wiederwahl kämpft, und überfahren damit aus Versehen einen asiatischen Mann.
Wegen der ausgelösten Großfahndung wird der unschuldige schwarze Fernsehregisseur Thayer (Terrence Howard) mit seiner Frau Christine (Thandie Newton) im selben Automodell von den Officers Ryan (Matt Dillon) und Hanson (Ryan Phillippe) angehalten und gedemütigt.
Währenddessen ist Staatsanwalt Cabot zuhause angekommen und lässt sogleich die Schlösser auswechseln. Doch seine Frau Jean (Sandra Bullock) misstraut dem mexikanischen Schlosser Daniel (Michael Peña).
Zur gleichen Zeit versucht der iranische Immigrant und Ladenbesitzer Farhad (Shaun Toub) zusammen mit seiner Tochter eine Waffe zu kaufen, da er schon mehrfach ausgeraubt wurde. Doch wegen seiner Sprachprobleme eskaliert die Situation im Waffengeschäft...

Kritik: Wie die Inhaltsangabe schon deutlich macht, ist das große Thema von L.A. Crash der alltägliche Rassismus in den USA, speziell in der Millionenmetropole Los Angeles.
In diesem Film versucht Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Paul Haggis seine eigenen Erfahrungen zu verarbeiten, speziell auch mit einem selbst erlebten Carjacking. Zentrale Metapher ist dabei der Zusammenstoß, der Crash; denn wie es schon in der Eingangssequenz heißt: „Der Tastsinn ist ausschlaggebend. In jeder anderen Stadt wird man beim Gehen angerempelt und streift automatisch andere Passanten. In L.A. berührt dich niemand. Man befindet sich dauernd hinter Stahl und Glasbarrieren. Ich denke, die Leute vermissen die Berührungen so sehr, dass sie Kollisionen verursachen, nur um etwas zu spüren.“
Der durch das Drehbuch zum oscargekrönten Film Million Dollar Baby in Europa bekannt gewordene Haggis wollte also nicht nur einen Film drehen, sondern hatte ein echtes Anliegen. Und dieses Anliegen ist auch dafür verantwortlich, dass die erste Stunde von L.A. Crash unglaublich stark und bewegend ist. Da wird eine heruntergekommene Gesellschaft porträtiert, die von alltäglichem unreflektiertem Rassismus durchsetzt ist, jeder nur an sich selbst denkt und allem Fremden gegenüber misstrauisch ist. Diese düstere Stimmung wird vortrefflich durch die bedrohlich tönende Musik von Mark Isham unterstützt. Wenn es bei dieser wertenden Schilderung von Zuständen bleiben würde, wäre aus L.A. Crash vielleicht ein großer Film geworden.

Doch Haggis wollte anscheinend den ultimativen Film über Rassismus machen, der das Thema von allen Seiten und aus allen Perspektiven umfassend ausleuchtet. So kommen nicht nur Weiße und Schwarze vor, Reiche und Arme, sondern auch Latinos, Asiaten und Perser; Gangster, Ladenbesitzer und Polizisten; Verlierer und Aufsteiger; Gutmenschen und Fieslinge. Dabei werden viele Klischees bedient, manche bewusst konterkariert.
Bei all diesen Handlungselementen ist der Film dann auch hoffnungslos überkonstruiert geworden. Manch einem Zuschauer mag das gefallen, bei anderen (z.B. dem Autor dieses Textes) wird die ständige emotionale Manipulation auf Ablehnung stoßen. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zu Million Dollar Baby, der in der zweiten Hälfte so übertrieben auf die Tränendrüsen wirkte, dass er meines Erachtens nur noch rationale Ablehnung hervorrufen konnte.
Doch Haggis scheint sich der übertriebenen Schwere und Kopflastigkeit seines Filmes nicht bewusst zu sein, sonst würde er nicht davon sprechen, dass er einen "respektlosen, witzigen, tragischen und schockierenden Film" drehen wollte. - Die leichteren dieser Emotionen waren für mich nicht zu entdecken. Die im Presseheft genannte Vergleiche zu Pulp Fiction von Quentin Tarantino und Traffic von Steven Soderbergh sind deswegen nur unpassend zu nennen - im ersten Fall wegen der fehlenden Leichtigkeit, im zweiten wegen des allumfassenden Anspruchs des Inhalts.
Man kann natürlich nicht abstreiten, dass sich das Thema Rassismus aus europäischer Perspektive anders darstellt als aus amerikanischer. Vorfälle wie der Rampart-Skandal oder das Rodney-King-Verfahren mit den tagelangen gewalttätigen Ausschreitungen in Los Angeles machen deutlich, dass ein ernsthafter gesamtgesellschaftlicher Diskurs (also auch im Film) in den USA sicher dringender ist als anderswo.
Ob das durch einen solchen Film möglich ist, bleibt aber fraglich. Und das liegt vor allem an den letzten 20 Minuten von L.A. Crash: <SPOILER> Denn hier wird der so abgründig angelegte Film letztlich zu einem naiven Weihnachtmärchen umgebogen. Haggis scheint trotz allem unerschütterlich an das Gute im Menschen glauben zu wollen. Und so ist schließlich in jedem Finsterling ein kleines Lichtlein zu entdecken. Und der Gutmensch bekommt seine Grenzen aufgezeigt. - Der ganze Film wird vom existenziellen Drama in ein Feel-Good-Movie verwandelt. - Das ist naiv, weltfremd und einer ernsthaffen Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus nicht zuträglich.</SPOILER>

Fazit: L.A. Crash ist zu Beginn ein extrem starkes Drama über Rassismus, das am Ende in die naive Bedeutungslosigkeit versinkt. 7 von 10 achtlos gekauften Patronen.

Olaf Scheel
01.09.2005

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797 Stimmen
Schnitt: 5.1
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Leser-Kommentare:
Ingo (13.03.06): Ich habe selten einen so langweilen Film gesehen. Unmotivierte Schauspieler, das Ende war schon nach den ersten drei Minuten des Films klar und endloses möchtegern intellektuelles Geschwafel. Wer auf pseudoanspruchsvolle Filme steht ist hier sicher hervorragend bedient, wer mehr als ein paar dumme Dialoge erwartet sollte sich diesen Hollywoodschinken auf jeden Fall ersparen. Von mir gibt es nur einen Punkt und das auch nur weil es keine 0 gibt.
Olaf (09.03.06): @Chu: Ja, das passiert. - Meiner Meinung nach war aber zumindest der Oscar für den besten Film auch die falsche Wahl. - Aber das passiert ja auch hin und wieder... :-)
Chu (06.03.06): Nun hat er einen Oscar und hier nur 7 Punkte. Aber das passiert.
Dominik (02.09.05): Ich habe im wesentlichen drei Probleme mit "L.A. Crash": zum einen ist der Film eindeutig überambitioniert in seinem Anspruch, einen - in diesem Punkt stimme ich Olaf voll zu - "ultimativen" Film zum Thema Rassismus in L.A. drehen zu wollen. Die inhaltliche Zuspitzung der einzelnen Episoden wirkt dann auch arg konstruiert, das sind ein oder zwei "Aha!"-Erlebnisse zuviel für mich! Außerdem ging mir das musikalische Hintergrundthema der wehklagenden Frauenstimme doch sehr auf den Zeiger. Das hat haargenau wie in vielen großen Schlachtenfilmen (zum Beispiel "Kingdom of Heaven") den Sinn und Zweck, eine Art metaphysische Klage auf die bedauernswerten iridischen Zustände anzustimmen und somit eine erhöhte Perspektive einzunehmen: das ist abgeschmackt und purer Kitsch! Der gesamte Film als solcher ist gar nicht mal so furchtbar mißlungen und hat Potential für mehr, zumal die schauspielerischen Leistungen sehr gut sind, aber ich als Zuschauer kann die Vorliebe von Paul "Million Dollar Baby" Haggis für melodramatische Zuspitzungen absolut nicht teilen. Wenn ich jedes Klischee nehme und in sein Gegenteil verkehre, dann habe ich nichts weiter als eine neue Masche unter verkehrten Vorzeichen geschaffen! Trotzdem immerhin 7 von 10 (auch wenn ich jetzt eher auf die negativen Aspekte des Films eingegangen bin)!
Sebastian (01.09.05): L.A. Crash ist einer der besten Filmen, die ich bisher in diesem Jahr gesehen habe! Im Grunde habe ich am Film fast NICHTS auszusetzen, außer vielleicht, dass das Ende einen Hauch zu positiv geraten ist. Aber warum nicht mal nach fast zwei Stunden mitreißende, tragische und schockierende Handlung etwas positivere Aussichten zum Schluß? Ich finde es noch ganz okay so! Und wie Olaf den Film deshalb als einen Feel-Good-Movie bezeichnen kann, kann ich beim besten Willen nicht verstehen!
Abgesehen davon fand ich gerade die Manipulation des Zuschauers sehr gut gelungen. Der Film bzw. der Regisseur/Autor spielt gekonnt mit den Vorurteilen und Erwartungen des Zuschauers und arbeitet meist genau gegen diese Erwartungen. Das unterstützt noch die Botschaft des Films, dass jeder Mensch, ob er will oder nicht, bestimmte Vorurteile und Erwartungen anderen Menschen gegenüber hat. Es kann sich also keiner von einem gewissen "Schubladendenken" frei sprechen. Da hält Regisseur Haggis dem Zuschauer gekonnt den Spiegel vor.
Abgesehen davon finde ich es komisch, wie man einem Regisseur emotionale Manipulation vorwerfen kann. Wenn es gelingt, den Zuschauer so an den Film zu fesseln, emotional mitzureißen und so zu führen wie man es haben will, dann zeugt es doch nur vom handwerklichen Können des Regisseurs, oder?
Gekrönt wird der Film von einem spitzenmässig spielenden Schauspieler-Ensemble!
Ich kann nur sagen: Einfach Spitze! Nur knapp an der Bestwertung vorbei! 9,5 von 10 Christopherus-Figuren auf dem Armaturenbrett!

Gromit (01.09.05): Der Film erinnert mich ein wenig an Magnolia aus dem Jahr 2000. Dor war der Froschregen das kathartische Ereignis, hier (wenn auch weniger mystisch) die Sache mit dem angeblich magischen Umhang. Ich gebe 8 von 10 unsichtbare, kugelsichere Capes.
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