Babel
Drama, USA/Mexiko 2006, 144 Minuten, ab 16
Originaltitel: Babel; Deutschlandstart: 21.12.2006 (Tobis); Regie: Alejandro González Iñárritu; Produktion: Raúl Olvera Ferrer, Steve Golin u.a.; Drehbuch: Guillermo Arriaga; Musik: Gustavo Santaolalla; Kamera: Rodrigo Prieto; Schnitt: Douglas Crise, Stephen Mirrione

mit Brad Pitt (Richard), Cate Blanchett (Susan), Mohamed Akhzam (Anwar), Peter Wight (Tom), Harriet Walter (Lilly), Trevor Martin (Douglas), Matyelok Gibbs (Elyse ), Georges Bousquet (Robert), Claudine Acs (Jane), André Oumansky (Walter), Michael Maloney (James), Dermot Crowley (Barth) u.a.

Filmplakat
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Nein, wir brauchen jetzt Hilfe. Sofort! Haben Sie verstanden? - Richard, ich tue, was ich nur kann. Ich habe gerade das Außenministerium auf der anderen Leitung. Da versucht man auch schon alles Menschenmögliche. Da sind ein paar politische Probleme zu lösen. - Ich scheiß auf politische Probleme! Ich brauche jetzt Hilfe! - Richard telefoniert mit seiner Botschaft.

Plot: Als sich inmitten der marokkanischen Wüste ein Schuss löst und die amerikanische Touristin Susan (Cate Blanchett) in einem vorbeifahrenden Reisebus getroffen wird, ist auf wundersame Weise das Schicksal von Menschen dreier Kontinente miteinander verknüpft. Während Richard (Brad Pitt), Susans Ehemann, verzweifelt versucht, seine schwerverletzte Frau zu retten, und dabei in einem kleinen Dorf auf Hilfe warten muss, startet die polizeiliche Suche nach dem vermeintlichen Terroristen. Der Schütze ist jedoch ein kleiner Hirtenjunge, der sich und seine Familie mit der Tat ins Unglück stürzt.
Die Handlung wechselt den Schauplatz und wir befinden uns in Tokio. Die taubstumme, heranwachsende Chieko (Rinko Kikuchi), Tochter des Geschäftsmannes und Großwildjägers Yasujiro, leidet unter dem Trauma des Todes ihrer Mutter und stürzt sich verzweifelt in das Partyleben der Großstadt, auf der Suche nach Zuneigung, die sie von ihrem Vater, der sein Jagdgewehr einst in Marokko verschenkte, nicht bekommt. Währenddessen – erneuter Schnitt und Schauplatzwechsel – bricht Amelia (Adriana Berraza), die Haushälterin von Susan und Richard, Richtung mexikanische Grenze auf, um die Hochzeit ihres Sohnes zu feiern. Da sie auf die Schnelle keine Aufsicht für die kleinen Kinder der Familie finden kann, nimmt sie die Beiden kurzerhand mit nach Mexiko — ein verhängnisvoller Fehler.

Kritik: Wer die vorherigen Filme von Alejandro Gonzalez Inarritu kennt, ist bereits mit der parabelhaften Ausrichtung seiner Stoffe und der verschachtelten, episodenhaften Erzählweise vertraut. Waren in Amores Perros und 21 Gramm zwei Autounfälle das dramaturgische Zentrum, in das sämtliche Handlungsstränge zusammenliefen, ist in Babel der verirrte Gewehrschuss das verbindende Element, auch wenn der Zusammenhang mit der Tokio-Episode um die taubstumme Chieko eher lose und wenig zwingend erscheint.

Rein thematisch gehören die drei Geschichten natürlich insofern zusammen, als es um interkulturelle, bzw. familiäre Kommunikationsprobleme geht. Die Verständigungsschwierigkeiten bestehen nicht nur zwischen einander fremden Kulturen, sondern im engsten familiären Kreis.
Diese thematische Grundkonstellation, so wichtig sie gerade in der heutigen Zeit des „Clash of Civilizations“ ist, bürdet dem Film natürlich eine enorme Last auf. Babel ist tatsächlich ein wenig bedeutungsschwanger. Die Verbindung zwischen den einzelnen Storys wirkt manchmal konstruiert und erschließt sich nicht derart folgerichtig und konsequent wie etwa in Amores Perros oder 21 Gramm. Man hat fast den Eindruck, dass in Babel einige inhaltliche Inkonsequenzen der epischen Gesamtaussage des Films geopfert werden. Warum beispielsweise der als vernünftig und bodenständig charakterisierte Hirtenvater seinen Söhnen erlaubt, mit seinem Gewehr zu spielen, erschließt sich mir ebensowenig wie der abenteuerliche Entschluss der ansonsten verantwortungsbewussten und fürsorglichen Haushälterin Amelia, die ihr anvertrauten Kleinkinder mit auf den abenteuerlichen Trip nach Mexiko zu nehmen.
Dass Babel trotz einiger inhaltlicher Ungereimtheiten dennoch packend bleibt, verdankt er seiner Konzentration auf die kleinen, zwischenmenschlichen Momente. Insbesondere die schmerzhafte Sinnsuche Chiekos im grellen Großstadttreiben Tokios ist mitreißend gespielt und inszeniert. Wenn inmitten der tanzenden Disco-meute plötzlich die Musik ausgeblendet wird und der Zuschauer die Szenerie aus der sinnlichen Wahrnehmung des stummen Mädchens heraus betrachtet, ist das schon einer der magischen Momente des Kinojahres. Überhaupt hätte die Geschichte um Chieko ausreichend Potential abgegeben für einen kompletten Film, nicht zuletzt, weil die junge Newcomerin Rinko Kikuchi den großen Stars des Films komplett die Show stiehlt.
So überzeugend die kleinen, intimen Beobachtungen sind, für die Inarritu offensichtlich ein feines Händchen hat, so fragwürdig bleibt der monumentale Gestus des Films mit seinen alttestamentarischen Referenzen und den Kontinente umspannenden Handlungssträngen. Hier wäre weniger mehr gewesen. So steht die ambitionierte Grundidee dem künstlerischen Erfolg des Films ein wenig im Wege.

Fazit: Packendes Kulturclash-Drama, das allerdings mehr durch seine kleinen Momente überzeugt als durch seine arg monumentalen Konzeption: dennoch 8 von 10 haarige Monster!

Dominik Rose
23.12.2006

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876 Stimmen
Schnitt: 5
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Leser-Kommentare:
Dominik (16.01.07): @lilli: Klar, kein Thema: Sie hat genau das geschrieben, was Bill Murray Scarlett Johansson gegen Ende des Films "Lost in Translation" ins Ohr geflüstert hat! Ist halt ein all time-favourite...
lilli (16.01.07): Hallo, könnt Ihr mir vielleicht verraten, was das japanische Mädchen dem Polizisten gegen Ende auf den Zettel geschrieben hat? 8 von 10 grossen ???????????????????????????????????
MICHA (07.01.07): spitzen film.
bu (06.01.07): car!
joel (03.01.07): Wow, was für ein Film! Ich würde es weniger an der Verknüpfung der drei Geschichten festmachen, sondern mehr an der Dramatik jedes einzelnen Stranges. Dort gibt es so viele tolle Bilder und Einstellungen, die dazu mit absolut passender Musik unterlegt sind. Alle Szenerien und Geschichten kommen total authentisch rüber, wenn auch Kleinigkeiten nicht 100% logisch sind, aber das Leben ist nun mal nicht immer logisch. ;-) Nochmal: Wow! Vor mir gibts ganz selten vergebene 9 von 10 Hühner für das Hochzeitsessen @ Dominik: Die Kinder bekommen das Gewehr, um beim Schafe hüten Schakale zu schießen, die die Schafe anfallen.
Sebastian (27.12.06): @Dominik:
Ich weiß auch nicht! Wir sind bestimmt in einem parallelen Universum! ;-)

Olaf (27.12.06): Ach was seid ihr harmoniesüchtig - liegt bestimmt an den Weihnachtsgefühlen. ;-)
Dominik (27.12.06): @Sebastian: So geht das aber nicht, dass wir jetzt seit neuestem ständig übereinstimmen, oder...? :-)
Sebastian (26.12.06): Im Großen und Ganzen kann ich Dominiks Aussagen nur zustimmen! Er hat größtenteils das geschrieben, was ich auch denke.Ein paar kleine Ergänzungen hab ich aber doch.
Der Film krankt an seinen sehr konstruiert wirkenden Storyverknüpfungen. Da hat Iñárritu Form über Inhalt gestellt, um wieder künstlerisch besonders wertvoll zu sein und hat sich damit selbst ein Bein gestellt. Besonders die Tokyo-Story ist, sowohl von der Verknüpfung mit dem Rest des Films als auch von der Story selber, dermaßen konstruiert und künstlich, dass es schließlich nicht mehr so gut wirkt, wie es wirken könnte. Und hilft dann auch die sensationelle Darstellung von Rinko Kikuchi und einige tolle inszenatorische Einfälle (Disko-Eindruck ohne Musik) nichts mehr.
Obendrein hat der Film doch einige Längen und ist (wie auch 21 Gramm) sehr in die Länge gezogen, wird dabei aber zum Glück nie langweilig, was vermutlich hauptsächlich dem tollen Spiel des gesamten Ensembles zu verdanken ist.
Amores Perros und 21 Gramm waren besser, aber vom Gesamteindruck her bekommt Babel von mir dann doch auch noch 8 von 10 Schießübungen.

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