Kümmer
dich mehr um das Restaurant und träum weniger vom offenen Meer.
Du bist ein gescheiter Junge, wenn du mit den Beinen auf dem Boden bleibst.
- Terry und Ians Vater gibt Tipps beim Sonntagsessen.
Plot:
Die Brüder Ian (Ewan McGregor) und Terry (Colin Farrell) schlagen
sich in London mehr schlecht als recht durchs Leben. Ian führt
das Restaurant seines Vaters, doch eigentlich träumt er von Reichtum,
Ruhm und einem Leben in den USA. Terry ist alkohol- und tablettenabhängig,
arbeitet als Mechaniker und nebenher bessert er sein Einkommen mit Pokerpartien
oder Pferdewetten auf.
Eine solche Wette verschafft ihm kurzfristig Geld und zusammen mit Ian
erfüllen sie sich einen kleinen gemeinsamen Traum: den Kauf eines
Segelbootes. Sie taufen es 'Cassandras Traum', denn so hieß das
Pferd, welches Terry den Geldsegen beschert hat. Während Ian die
Schauspielerin Angela (Hayley Atwell) kennenlernt und mit einem Investment-Geschäft
in Los Angeles liebäugelt, verfällt Terry immer weiter der
Spielerei, verliert schließlich alles und ist über beide
Ohren verschuldet. Auch Ian hat Geldprobleme, denn seine neue Liebe
ist ebenso anspruchsvoll wie sein Traum vom großen Geschäft
in Übersee.
Wie auf Zuruf bekommen sie Besuch vom reichen Onkel Howard (Tom Wilkinson)
aus den USA, der seinen beiden Neffen nur zu gerne unterstützend
unter die Arme greift, doch er verlangt eine Gegenleistung: die Beseitigung
eines seiner Firmenangehörigen, der die unlauteren Geschäfte
von Onkel Howard auszuplaudern droht. Zunächst sind Ian und Terry
geschockt, doch je mehr sie darüber nachdenken, desto klarer wird
ihnen, dass Onkel Howards Unterstützung die einzige Lösung
ihrer Probleme ist. Sie begehen den Mord gemeinsam, doch damit fangen
die Probleme erst an...
Kritik:
Woody
Allens neuer Film Cassandras Traum ist ebenso ein untypischer
Allen wie sein Vorgänger Match
Point. Cassandras Traum spielt in London und wirkt
auch aufgrund der ausgesuchten Besetzung sehr europäisch. Es ist
ein langsamer Film, der mit langen Dialogen dem Zuschauer viel Geduld
abverlangt. Das ist sicherlich nicht Jedermanns Sache und wird auch
nicht jedem zusagen.
Der Film lebt vom großen Thema Schuld und Sühne, von der
Frage: Wie weit würdest du für deinen Traum gehen? Würdest
du lügen, betrügen und am Ende sogar morden? Die Charaktere
von Ian und Terry sind sehr unterschiedlich angelegt. Während Terry
in den Tag hinein lebt und sich von einer Wette zur nächsten Pokerpartie
schleppt, plant Ian seine Zukunft durch. Er will die Frau, er will den
Ruhm, das ganz große Geld und dafür würde er alles geben.
Als sie vor Howard stehen und der ihnen Geld gegen Mord anbietet, sind
beide Brüder geschockt. Doch nach und nach erkennt Ian, dass Howards
Geld die einzige Möglichkeit für ihn ist aus, England rauszukommen.
Er
entscheidet auch zum großen Teil für Terry mit, den allein
schon der Gedanke an Mord in Panik ausbrechen lässt, aber die 90.000
Pfund Schulden im Hinterkopf willigt er schließlich ein.
Ewan
McGregor und Colin Farrell geben ein wunderbares Brüder-Gespann
ab. Farrells Gesichtsausdruck ist den ganzen Film über angespannt,
seine Augen angsterfüllt und er ist hektisch in seinen Bewegungen.
Er
klammert sich am Alkohol fest, als könnte der seine Probleme lösen.
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McGregor
ist der kühle Part der beiden Brüder. Er ist der Planer, der
Denker, der Pragmatiker. Während der eine den Menschen hinter dem
Opfer sieht, so sieht der andere nur das Mittel zum Zweck. Ein Mord
und der Rest seines Lebens ist gerettet. Ein einziger Mord und er bekommt
alles, was er sich je erträumt hat: Die Frau seines Lebens, das
Geschäft, das er immer wollte und ein Leben in Los Angeles.
Der Weg zur Tat ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Charaktere recht
amüsant anzuschauen. Währen Ian das Opfer gleich mit dem Hammer
erschlagen will, möchte Terry Pistolen benutzen, weil das nicht
so persönlich ist. Terry scheint immer wie auf Speed, hektisch,
nervös, unaufmerksam, mitfühlend, sentimental, will er doch
noch das Opfer seine Mutter ein letztes Mal besuchen lassen, ehe sie
ihn ins Jenseits befördern. Ian will es einfach nur hinter sich
bringen, er weigert sich, den Menschen hinter dem Opfer zu sehen, er
plant schon seine Zukunft.
Als der Mord vollbracht ist, fällt alle Anspannung von Ian ab,
von jetzt an beginnt sein neues Leben. Was geschehen ist, ist Vergangenheit.
Doch Terry scheint an der Tat zu zerbrechen: Alpträume plagen ihn,
sein Tablettenkonsum steigert sich von Tag zu Tag und immer sucht er
Hilfe bei Ian, weil doch Blut dicker ist als Wasser, denn wenn man sich
auf seine eigene Familie nicht verlassen kann, auf wen dann? Ian scheint
jedoch zunehmend genervt vom labilen Bruder und als dieser seine Tat
gestehen will, steht er vor einer undenkbaren Entscheidung.
Dem intensiven Spiel von Ewan McGregor und Colin Farrell ist es zu verdanken,
dass der Film zwar langwierig anmutet, aber niemals langweilig wird.
Sie hauchen den beiden Brüdern Leben ein, geben ihnen Konturen,
Stärken und Schwächen, so dass ihr Spiel den Zuschauer dazu
zwingt, sich zu fragen: Wer von beiden wäre man wohl selbst? Wie
hätte man wohl entschieden? Wäre man auch so weit gegangen?
Cassandras Traum ist eine Charakterstudie zweier Menschen,
die sehr unterschiedlich mit den Konsequenzen einer lebensverändernden
Entscheidung umgehen, ohne dass einer der beiden dabei weniger sympathisch
wirkt. Jeder hat ein Gewissen, aber während der eine einen Weg
findet, sich damit zu arrangieren, geht der andere dabei unter. Der
Film beginnt und endet mit dem Segelboot, der Cassandras Dream. –
Nach der griechischen Mythologie schenkte Apollon Cassandra die Gabe
der Vorhersehung. Doch weil sie ihn verschmähte, wandelt er die
Gabe in einen Fluch um und niemand sollte ihren Vorhersehungen mehr
glauben schenken. So ging Troja unter, obwohl Cassandra die Tücke
des Trojanischen Pferdes vorausgesagt hatte. Ebenso ergeht es den Brüdern,
denn obwohl sie das Unheil nahen sehen und um das Unrecht ihrer Entscheidung
wissen, überschreiten sie die Grenze und so ist schon zu Beginn
des Film klar, am Ende wird es keinen Gewinner geben.
Fazit: Woody
Allens Cassandras Traum ist Schauspielerkino im europäischen
Stil. Sehenswert für Fans der beiden Hauptdarsteller und/oder des Regisseurs
und für alle, die sich für das Thema Schuld und Sühne interessieren.
Action oder große Lacher wird man in diesem Film nicht finden, dafür
ein gutes Diskussions-Thema nach dem Kino! 9 von 10 selbstgebastelten
Holz-Pistolen.
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