Originaltitel: De rouille et d'os; Deutschlandstart: 10.01.2013 (Wildbunch/Central); Regie: Jacques Audiard; Produktion: Jacques Audiard, Martine Cassinelli u.a.; Drehbuch: Jacques Audiard, Thomas Bidegain; Musik: Alexandre Desplat; Kamera: Stéphane Fontaine; Schnitt: Juliette Welfling mit Marion Cotillard (Stéphanie), Matthias Schoenaerts (Alain van Versch), Armand Verdure (Sam ), Céline Sallette (Louise), Corinne Masiero (Anna), Bouli Lanners (Martial), Jean-Michel Correia (Richard), Mourad Frarema (Foued), Yannick Choirat (Simon) u.a. |
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Ist hier schlechte Luft? - Stinkt 'n Bisschen. - Ich glaub, das bin ich. - Komm, wir gehen raus. - Nein. ... - Na los, zieh dir was an. - Nein. Ich bleib hier. - Es wird dir gut tun. - Nein, ich sag, ich bleib hier! - Ali und Stéphanie treffen sich das erste Mal nach dem Unfall wieder. Plot: Das Leben an der Côte d´Azur, bonjour tristesse: Ali (Matthias Schoenaerts), ein ehemaliger Thai-Boxer, lebt mit seinem fünfjährigen Sohn Sam in der Garage seiner Schwester Anna (Corinne Masiero), die in Antibes als Kassiererin in einem Supermarkt arbeitet. Der Kontakt zwischen den Geschwistern ist nicht gerade herzlich, man kann nur ahnen, dass in der Familie einiges schief gelaufen ist. Trotzdem hilft Anna ihrem Bruder, lässt ihn nicht nur bei sich wohnen, sondern vermittelt ihm auch einen Job als Türsteher in einem Nachtclub. Vor allem wohl wegen des Kindes, auf das der Bruder aufpassen muss, nachdem sich die Mutter aus dem Staub gemacht hat. Eine Aufgabe, die den jähzornigen Ali, in dem sich eine große Wut angestaut hat, ziemlich überfordert. Als er eines Abends Stéphanie (Marion Cotillard) kennen lernt, die bei einer Auseinandersetzung vor dem Club niedergeschlagen wird, deutet alles auf eine eher flüchtige Bekanntschaft hin. Ali bringt die verletzte Frau nach Hause, schreibt ihr für den Fall der Fälle seine Nummer auf und zeigt sich beeindruckt, als er erfährt, dass sie als Waltrainerin in einem Meer-Themenpark arbeitet. Es vergehen einige Wochen, bis Stéphanie ihn plötzlich anruft. Sie hat bei einem Unfall während einer Orca-Show beide Beine verloren und sitzt im Rollstuhl. Ein Glück für sie, dass Ali eher grob gestrickt ist und es ihm an Einfühlungsvermögen mangelt, denn so hat sie wenigstens kein wohlmeinendes Mitleid zu befürchten, sondern wird als ganz normale Frau behandelt. Er nimmt sie mit zum Strand, trägt sie ohne falsche Scheu ins Wasser, damit sie schwimmen kann, und nach einigen weiteren Besuchen freunden sich die Beiden an. Sie begleitet ihn zu illegalen Straßenkämpfen, bei denen er sich eine Stange Geld dazuverdient, und fühlt sich angezogen von diesem einerseits groben, aber auch feinfühligen Mann. Sie haben ganz unromantisch Sex miteinander, einfach weil sie wissen will, ob es sich auch ohne Beine noch gut anfühlt. Doch derart unverbindlich kann ihre Beziehung nicht bleiben, und schon bald kommt es zu einem weiteren tragischen Unfall. |
Kritik: Auf den ersten Blick mag der neue Film von Jacques Audiard, einem der interessantesten Regisseure des modernen europäischen Kinos (Der wilde Schlag meines Herzens, Ein Prophet), vielleicht abschrecken: Es geht um Themen wie das Leben mit einer Amputation, die der Hauptfigur beide Beine raubt, um illegale, brutale Straßenfights, die Tristesse eines prekären Lebens am Rande der Gesellschaft. Darüber hinaus ist Der Geschmack von Rost und Knochen aber auch eine einfühlsame, in vielen Momenten poetisch schöne Liebesgeschichte, die auf beinahe märchenhafte Weise den Glauben bestärkt, dass ihre beiden Hauptfiguren, allen Niederschlägen des Lebens zum Trotz, errettet werden können. Klingt pathetisch, ist aber in einer subtilen, unaufgeregten Art erzählt – und darüber hinaus ganz wunderbar geschauspielert – sodass die Geschichte aller Fallstricke zum Trotz nicht ins Sentimentale kippt. Ganz wunderbar ist die Szene, in der Stéphanie auf ihren neuen künstlichen Beinen zum ersten Mal seit ihrem Unfall wieder ihren alten Arbeitsplatz besucht und sich an die dicke Glasscheibe des Wasserbassins lehnt. Sie lockt einen ihrer alten Schützlinge heran und kommuniziert mit dem Orca durch Handzeichen, auf die der Wal entsprechend reagiert – die Beiden vollführen auf diese Weise eine Art magischen Tanz, der eine rätselhafte Zärtlichkeit zwischen Mensch und Raubtier offenbart. Darüber hinaus streift der Film fast beiläufig und ohne moralisch erhobenen Zeigefinger einige sozialer Missstände, wie die fragwürdigen Themenpark-Shows oder die unwürdige Situation von Arbeitnehmern, die in ihrem Betrieb vom Management ausspioniert werden. Bei allem Lob erreicht Der Geschmack von Rost und Knochen aber doch nicht ganz die Klasse der vorherigen Meisterwerke seines Regisseurs, was damit zusammenhängt, dass manche dramatische Wendungen doch etwas forciert und abrupt rüberkommen. Das ist ein Problem des Drehbuchs, das es vielleicht etwas zu gut meint mit der Anzahl an Schicksalsschlägen, die seine Figuren zu bewältigen haben, um dann gerade noch rechtzeitig zum Finale des Films rasch die meisten Probleme zu lösen – das geht dann doch zum Schluss alles ein wenig zu schnell. Fazit: Intensive, raue Liebesgeschichte, die durch eine feinfühlige Inszenierung und zwei tolle Hauptdarsteller überzeugt: 8,5 von 10 Tänze mit einem Orca! |
Dominik
Rose 14.01.2013 |
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