Originaltitel: United 93; Deutschlandstart: 01.06.2006 (UIP); Regie: Paul Greengrass; Produktion: Tim Bevan, Lloyd Levin u.a.; Drehbuch: Paul Greengrass; Musik: John Powell; Kamera: Barry Ackroyd; Schnitt: Clare Douglas, Richard Pearson, Christopher Rouse mit Christian Clemenson (Thomas E. Burnett, Jr.), Trish Gates (Sandra Bradshaw), Polly Adams (Deborah Welsh), Cheyenne Jackson (Mark Bingham), Opal Alladin (CeeCee Lyles), Gary Commock (First Officer LeRoy Homer), Nancy McDoniel (Lorraine G. Bay), David Alan Basche (Todd Beamer), Richard Bekins (William Joseph Cashman), Susan Blommaert (Jane Folger), Ray Charleson (Joseph DeLuca), Liza Colón-Zayas (Waleska Martinez), Lorna Dallas (Linda Gronlund), Denny Dillon (Colleen Fraser), Trieste Kelly Dunn (Deora Frances Bodley) u.a. |
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Knapp fünf Jahre sind seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 vergangen, anscheinend gerade genug, dass sich Hollywood mit zwei Produktionen dem traumatischen Thema filmisch annehmen kann: Während Oliver Stones World Trade Center, der im Herbst anlaufen wird und beim Filmfestival in Cannes ausschnittweise in einer spektakulären Preview vorgeführt wurde, laut einigen Kritikern eher konventionelle Action inklusive genreüblichem Heldenpathos abliefert, bemüht sich Flug 93-Regisseur Paul Greengrass spürbar, seine Auseinandersetzung mit dem 11. September möglichst nüchtern und mit quasi-dokumentarischem Anspruch aufzubereiten. Kein Wunder, schließlich war der Brite, der zuletzt unter anderem Die Bourne-Verschwörung drehte, doch in früheren Jahren Dokumentarist für den Sender BBC. Plot: Der Flug 93, soviel sei knapp zusammengefasst, war jener Flug, der als einziger sein von den Terroristen anvisiertes Ziel, das Weiße Haus, nicht erreicht hat, da er irgendwo in der Einöde Pennsylvanias abstürzte, sehr wahrscheinlich in Folge eines Aufstands der Passagiere. Die anderen drei gehijackten Flugzeuge, das dürfte wohl bekannt sein, sind im World Trade Center und in einem Flügel des Pentagon gelandet. Dramaturgisch geschickt, wechselt Flug 93 zwischen verschiedenen Schauplätzen: Die Eindrücke aus diversen Zentren der Flugüberwachung, in denen ungläubiges Staunen einem wachsenden Entsetzen weicht, sind gegengeschnitten mit den größtenteils fiktionalisierten Ereignissen an Bord der Maschine, die – in der unerbittlichen Unabwendbarkeit eines historischen Faktums – ihrem Absturz entgegenfliegt. Kritik: Wenn man Flug 93 mit den Ansprüchen misst, die man an einen effektvollen Thriller richtet, dann ist der Film – soviel sei vorweggenommen – ein voller Erfolg. Das mag etwas ironisch klingen, da Paul Greengrass weniges ferner gelegen haben mag, als einen effektvollen Thriller zu drehen. So sieht Flug 93 über weite Strecken eher aus wie eine dokumentarische Reportage. Der verwackelte Handkamera-Style ist inzwischen ja obligatorisch, wenn es darum geht, Glaubwürdigkeit zu verbürgen. Greengrass´ detailreiche Recherchearbeit, die Auswertung unzähliger Protokolle, Gespräche mit Experten und Angehörigen der Opfer, schließlich die Besetzung mancher Rollen aus den Flugüberwachungs-Towern mit realen Personen, die sich selbst spielen – mangelnde Akribie kann man dem Film nicht vorwerfen. Eher schon, dass er sich seiner Verantwortung, eine erste unmittelbare Hollywood-Annäherung an den 11. September zu sein (Anklänge an die Terroranschläge finden sich natürlich auch schon in Spielbergs München und – was thematische Zusammenhänge anbetrifft – in Stephen Gaghans Syriana), ein wenig zu sehr bewusst ist. |
Um
aber zunächst mit den hervorstechenden Qualitäten des Films
zu beginnen, kommt man natürlich an Paul Greengrass nicht vorbei.
Der Mann ist ohne Zweifel ein starker Regisseur, der etwas von Suspense,
Dramaturgie und effektvoll inszenierten Showdowns versteht. Mehr noch,
manche Bilder in Flug 93 haben eine Suggestivkraft, die einem
wirklich sprichwörtlich an die Nieren geht. Das liegt zum einen
wohl daran, dass der Zuschauer unweigerlich alles, was ihm der Film
in seinem dokumentarischen Duktus vorsetzt, als gesicherte Tatsache
nehmen möchte, aber natürlich auch an der technischen Versiertheit
von Greengrass, der an Bord der Maschine eine nahezu klaustrophobische
Stimmung heraufbeschwört. Dass Greengrass zudem auf konventionelles
Heldenpathos verzichtet und auch die arabischen Kidnapper als Menschen
mit Gefühlen und Ängsten zeigt, ist ihm hoch anzurechnen. Fazit: Ein nervenzehrender Thriller zwar, aber Schock und Betroffenheit allein sind für einen 11. September-Film nach fünf Jahren Abstand doch zu wenig: Trotzdem (für den Thrill) 8 von 10 Versuche über den Terrorismus! |
Dominik
Rose 06.06.2006 |
Leser-Kommentare: |
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Dominik (13.06.06): Neee, Henning, das stört mich eigentlich gar nicht. Mich stört nur, dass er keinen originellen Standpunkt hat. Dadurch, dass er auf pure Doku-Fiction setzt, ist er doch etwas beschränkt, da fehlt ihm doch etwas, gerade im Vergleich zu den Filmen, die ich oben zitiert habe! |
Henning (10.06.06): Dominik, der Film heisst "Flug 93" und nicht "11. September - Fakten, Daten, Hintergünde"! Was Dich ja stört, ist ja, dass man nicht 100%ig davon ausgehen kann, dass das was dieser Film zeigt sich auch wirklich so abgespielt hat - Es scheint aber so durchaus plausibel zu sein ohne, dass Greengrass Märchen erzählt. Insofern ein sehr gelungener, wie auch sehr belastender Film, wohl auch aufgrund der Aktualität und seiner Nachwirkungen. Ich gebe 8,5 von 10 Bildern, die sich ins Hirn einbrennen. |
Olaf (07.06.06): Dominik hat Recht, Flug 93 ist kein intellektueller, analytischer Film über den 11. September 2001. - Dafür aber ein umso erschütternder. Und ohne in Heldenpathos zu verfallen macht er die Passagiere von United 93 zu Helden in einem Kampf, den am Ende keiner gewinnt. 9 von 10 |