Originaltitel: World Trade Center; Deutschlandstart: 28.09.2006 (UIP); Regie: Oliver Stone; Produktion: Moritz Borman, Oliver Stone u.a.; Drehbuch: Andrea Berloff; Musik: Craig Armstrong; Kamera: Seamus McGarvey; Schnitt: David Brenner, Julie Monroe mit Maria Bello (Donna McLoughlin), Connor Paolo (Steven McLoughlin), Anthony Piccininni (JJ Mc Loughlin), Alexa Gerasimovich (Erin McLoughlin), Morgan Flynn (Caitlin McLoughlin ), Michael Pena (Will Jimeno), Armando Riesco (Antonio Rodrigues), Jay Hernandez (Dominick Pezzulo), Jon Bernthal (Christopher Amoroso), Nicolas Cage (John McLoughlin) u.a. |
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Ist das zu fassen? Welcher Vollidiot fliegt denn in das World Trade Center? - Wer weiß, vielleicht hatten die keinen Sprit mehr. - Ja, Colovito, genau. - Da hat wahrscheinlich so ein Arsch in seiner Zwei-Mot den falschen Hebel gezogen. - Das war keine kleine Maschine. - Oh nein. - Der Krisenstab spekuliert über die Ursache der Katastrophe. Plot: 11.09.2001: Zwei Flugzeuge rasen in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York City. Die Polizeitruppe der Grand Central Bus Station wird dorthin zur Hilfe gerufen, weil deren Chief John McLoughlin (Nicolas Cage) beim 1993er Anschlag auf das WTC federführend war und sich besser dort auskennt als jeder andere. Doch beim Einsturz der Türme werden McLoughlin und sein Kollege Will Jimeno (Michael Peña) in den Trümmern verschüttet. Kritik:
Die 9/11-Ereignisse rund um den Terroranschlag
mit entführten Passagierflugzeugen auf das New Yorker World Trade
Center im September 2001 sind wohl jedem hinlänglich bekannt, der
in der betreffenden Zeit nicht komplett hinter dem Mond gelebt hat.
Genau daran orientiert sich Oliver Stones Film World Trade Center:
Er erzählt nicht die eigentlichen Verwicklungen um die Flugzeuge
und deren Entführer, bzw. er nimmt das Kernereignis nur als Ausgangspunkt,
um die auf Tatsachen beruhende Geschichte der Rettung zweier in den
WTC-Trümmern verschüttete New Yorker Cops zu erzählen.
Der eine lebte zu jener Zeit glücklich in einer italo-amerikanischen
Familie, während seine Frau gerade das zweite Kind erwartete; der
andere driftete mit Frau und vier Kindern auf eine familiäre Krise
zu. So wird die Geschichte von John McLoughlin und William Jimeno dargestellt,
zweier der lediglich zwanzig lebend aus den Trümmern geretteten
Opfern von "9/11". Alles drum herum bleibt weitestgehend farblos
- was nicht verwunderlich ist: McLoughlin und Jimeno haben am Drehbuch
mitgearbeitet, und so liegt das Hauptaugenmerk einerseits auf den Erlebnissen
der beiden Verschütteten, andererseits um die beiderseitige familiäre
Hilflosigkeit der vorörtlichen Heimstätten. - Der echte William
Jimeno hat sogar einen kleinen Cameo-Auftritt im Film. |
Auf
die Gefahr hin, die Gefühle derer zu verletzen, die direkt oder
indirekt mit den WTC-Attentaten und den sich anschließenden weltpolitischen
Ereignissen beteiligt waren (ich bitte vorsorglich vielmals dafür
um Verzeihung - nichts liegt mir ferner). Auch wenn man anerkennt, dass
es sich um die autobiografischen Erlebnisse der Polizisten McLoughlin
und Jimeno in halbdokumentarischer Form handelt, muss man klar sagen:
Die Rettungsgeschichte der beiden Männer, so bewegend sie auch
dargestellt ist, hat durch ihre isolierte Erzählweise letztlich
kaum Bezug zum eigentlichen Filmthema, den Ereignissen am 11.09.2001
in Manhattan. Abgesehen von der lediglich am Rande gezeigten schier
übermenschlichen Hilfsbereitschaft der New Yorker Rettungskräfte
hätten die beiden Männer ebensogut in einem Brunnenschacht
oder in einem Bergbau-Stollen verschüttet sein können - der
Film über ihre Rettung hätte kaum anders ausgesehen. Fazit: Die für wenige Einstellungen digital wieder auferstandenen Zwillingstürme lohnen den Kinogang, alles andere ist eher durchschnittlich. Leider nur 6 von 10 zu Hause vergessenen Handys. |
Gero
Zahn 14.10.2006 |
Leser-Kommentare: |
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Stefanie (23.10.06): @ Gero Wir streiten uns doch gar nicht :-) Im Gegenteil, ich glaube, wir liegen in unseren Meinungen gar nicht so weit auseinander. Tatsächlich habe ich bis auf "Fahrenheit 9/11" die anderen Filme nicht gesehen. Selbstverständlich halte ich es für sehr wichtig, dramatische Ereignisse denen zugänglich zu machen, die diese nicht erlebt haben. Ich frage mich nur, ob Hollywood-Filme dafür das geeignete Medium sind. (Gegen autorisierte Biografien habe ich nichts, denn die sind *hoffentlich* authentisch). Nur bestätigst Du in Deiner Filmkritik genau mein Vorurteil: nimm viel Sensationslust und mische diese mit einer gefühlsträchtigen Story, besetzt mit Protagonisten mit hohem Identifikationsfaktor, lege dramatische Musik darunter und Du erhältst eine Gelddruckmaschine. Hat bei mir zum letzten Mal in "Titanic" funktioniert, ehe es endgültig *klick* machte und ich beschloss, an diese Filme wirklich kritischer heranzugehen. |
Gero (23.10.06): @Stephanie: Einen Film aus reiner Geldgeilheit zu machen ist eine Sache. Aber das hat Oliver Stone nicht gemacht: Er erzählt die Geschichte "von unten", aus der autobiografischen Sicht von Leuten, die dabei waren. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit reißerisch-voyeuristischem Boulevard-Journalismus zu tun, der Geld aus den Schicksalen der Betroffenen zieht, sondern ist mehr oder minder halbdokumentarisch. Andersrum gefragt: Was hältst Du in dem Zusammenhang von Filmen wie Der Untergang, Schindlers Liste oder Ghandi? Hältst Du es hier für ebenso verwerflich, geschichtlich-politische und/oder soziale Ereignisse (halb-)biografisch zu dokumentieren? Wenn ja - OK, Deine Meinung, dann hilft es nicht, dass wir uns weiter darüber streiten. Wenn Du aber nicht "nein" antwortest, weil Du es für wichtig hältst, dass Leute in anderen Ländern dieser Welt und/oder in späterer Zeit erfahren, was sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zugetragen hat, dann solltest Du vielleicht erwägen, Dir den Film doch anzusehen. ... Bzw. als zweite Sicht der Dinge evtl. auch noch Fahrenheit 9/11. ... Und ehe hier der Flame-War startet: Dass man den vorliegenden World Trade Center-Film nur bedingt oder eher gar nicht mit Der Untergang, Schindlers Liste oder Ghandi vergleichen kann, habe ich in meiner Kritik schon geschrieben - dazu ist er zu platt und beleuchtet nahezu gar nicht die umgebenden Ereignisse. |
Olaf (22.10.06): @Stefanie: Dann dürfte man niemals Filme über wahre dramatische Ereignisse drehen und nicht nur über dieses nicht. Ich finde, es hängt immer davon ab, wie der Film gemacht ist, ob er die Schicksale der Menschen nur reißerisch ausbeutet oder ob er sich ernsthaft damit beschäftigt... |
Stefanie (21.10.06): Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe den Film NICHT gesehen und werde ihn auch nicht sehen. Nicht, weil ich etwas gegen Stone oder Cage hätte, sondern weil ich es moralisch und ethisch zumindest fragwürdig finde, aus dem furchtbaren Schicksal so vieler Menschen mittels des Mediums "Film" Profit zu schlagen. Gern stelle ich mich dem Vorwurf, hier als Moralapostel aufzutreten und freue mich, wenn ich eine kontroverse Diskussion anregen kann. Vielleicht sehe ich ja alles etwas zu engstirnig? Was meint Ihr? |
Sandra (18.10.06): Mein zweiter Kinofehltritt in einer Woche. Aber immerhin ist WTC besser als Black Dahlia, aber das ist auch nicht schwer. Die Aufnahmen erzeugen bei mir immer noch Gänsehaut und alles andere ... tja, ich glaube, dazu muss man wohl Amerikaner sein. Warum Nicolas Cage? Hätte auch jeder X-Beliebige von der Straße spielen können. Vielleicht ist Cage einfach die Verkörperung des guten alten Amerikaners. Noch ein paar Jahrzehnte früher, hätte man für diese Rolle Jimmy Stewart genommen. Wir sehen nette Familien, die sich alle furchtbar lieb haben. Viele, noch viel nettere New Yorker, die ihr eigenes Leben aufopfern, um andere zu retten. Die Vision von Jesus mit Wasserflasche, als Retter in der Not. Ein einsamer US-Marine, der nach einem gepflegten Rundumhaarschnitt loszieht, die Retter zu retten, der auf den Trümmer des WTC herumirrt, wie einst Rambo auf den Hügeln von Afghanistan und anstelle von ein paar Panzern findet er die Verschütteten und zieht danach glorreich in den Irak-Krieg. YES! This is America! Und schon möchte man die Hymne schmettern, wenn man Amerikaner wäre. Hierzulande tun solche pathetischen Peinlichkeiten einfach nur weh. Und auch wenn Stone (dessen Handschrift man in diesesm Film vergeblich sucht) beteuert sein Film sei nicht politisch, so ist er es doch. Allein durch die überzogene Darstellung des Marines, die schon fast einer Karikatur gleicht aber keine sein soll. Ein Film, der uns das Grauen des 11. September zeigt und das in wirklich beeindruckenden Bildern. Ein Film, der uns auch zeigt, wie gut und hilfsbereit die Menschen sein können. Und ein Film der uns zeigt, wie pathetisch und überdramatisiert Hollywood den "Tag der die Welt veränderte" ausschlachtet und zu einem amerikanischen "Gutmensch-Mythos" verkommen läßt. Und am Ende so meint man die grüne Wiese zu erkennen, wo einst ein junges Mädel herlief und "The sound of Music" schmetterte. Auch für diesen Film gilt: Viel, viel weniger wäre soviel mehr gewesen. Kein guter Film, aber auch kein wirklich ganz schlechter Film. Ich gebe 5 von 10 fürsorglichen Familienvätern. |